Weltgesundheitstag

COVID-19 verschärft gesundheitliche Ungleichheit dramatisch

Die Hälfte der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu guter gesundheitlicher Versorgung durch Ärzte und Pflegekräfte. Die Corona-Pandemie verschärfe die Ungleichheit erheblich, warnen Organisationen und Politiker am Weltgesundheitstag.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht: | aktualisiert:
In Dhaka, Bangladesh, werden Menschen am Shaheed Suhrawardy Medical College and Hospital auf COVID-19 getestet. Vor allem Frauen sind in der Pandemie weltweit von der Ungleichheit in der medizinischen Versorgung betroffen.

In Dhaka, Bangladesh, werden Menschen am Shaheed Suhrawardy Medical College and Hospital auf COVID-19 getestet. Vor allem Frauen sind in der Pandemie weltweit von der Ungleichheit in der medizinischen Versorgung betroffen.

© Abu Sufian Jewel / ZUMAPRESS.com / picture alliance

Berlin. Anlässlich des heutigen „Weltgesundheitstags“ (7. April) haben Organisationen, Verbände und Politiker einen fairen und gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung gefordert. Die COVID-19-Pandemie zeige, dass man davon allerdings noch weit entfernt sei, hieß es am Mittwoch.

Die Pandemie verschärfe bestehende Ungleichheiten erheblich – insbesondere für Menschen, die aufgrund von Armut, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Bildungsniveau, Beruf, Migrationsstatus, Behinderung oder Diskriminierung einer Vielzahl von Unwägbarkeiten ausgesetzt seien, sagte etwa der Regionaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa, Dr. Hans Henri P. Kluge.

Höheres Risiko für Corona-Infektion

Menschen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht seien, trügen ein größeres Risiko für eine Coronavirus-Infektion, betonte Kluge. Er verwies auf das Beispiel Schweden. Dort seien 30 Prozent der Bewohner eines einkommensschwachen Wohngebiets positiv auf Corona getestet worden. In reicheren Gegenden seien es nur rund vier Prozent gewesen.

Auch lege die Pandemie die Chancenungleichheit zwischen den Geschlechtern offen, so Kluge. Weltweit machten Frauen etwa 70 Prozent der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen aus. Sie stünden auch in der Pandemie in „vorderster Linie“ – was nicht ohne Folgen bleibe: So zeigten Daten aus Deutschland, Italien und Spanien, dass es beim weiblichen Gesundheitspersonal zwei- bis dreimal mehr bestätigte Corona-Fälle gab als unter männlichen Kollegen.

Auch Menschen mit dunkler Hautfarbe und Angehörige ethnischer Minderheiten trügen ein „unverhältnismäßig hohes Risiko in Bezug auf schwere Infektionen und vorzeitigen Tod“, sagte Kluge. So seien knapp 35 Prozent der schwer erkrankten COVID-19-Patienten in Großbritannien afrokaribischer oder asiatischer Herkunft oder Angehörige anderer ethnischer Minderheiten.

Krisen verschärfen Ungleichheiten

„Globale Gesundheitskrisen verschärfen bestehende gesundheitliche, soziale und geschlechterbasierte Ungleichheiten“, erklärte die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW). Wegen der Pandemie hätten laut dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen etwa nahezu zwölf Millionen Frauen in Entwicklungsländern zeitweise keinen Zugang zu Verhütungsmitteln. Rund 1,4 Millionen unbeabsichtigte Schwangerschaften seien die Folge.

„Zugang zu Sexualaufklärung, Verhütungsmitteln und einer professionellen medizinischen Versorgung während Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüchen sind wichtige Bausteine universeller Gesundheitsversorgung“, sagte DSW-Geschäftsführer Jan Kreutzberg.

Der Weltgesundheitstag wird jährlich am 7. April begangen. Die WHO erinnert damit an ihre Gründung 1948. Sie legt dabei jedes Jahr ein neues „Gesundheitsthema von globaler Relevanz“ fest. 2021 liegt der Fokus auf gesundheitlicher Chancengleichheit.

Regierungen weltweit seien aufgerufen, allen Menschen Zugang zu Services im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit zu ermöglichen, damit diese ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wahrnehmen könnten.

Laut Stiftung hat die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu guter Gesundheitsversorgung durch Ärzte und Pflegekräfte. Dabei zeige Corona, wie anfällig hochmobile Gesellschaften für Infektionskrankheiten seien. Ohne funktionierende und flächendeckende Gesundheitsversorgung ließe sich die Pandemie nicht in den Griff kriegen, warnte die DSW.

Corona-Vakzine gerecht verteilen

Die Grünen mahnten in diesem Zusammenhang eine gerechte Verteilung der Corona-Impfstoffe an. Die Verteilung der Vakzine verlaufe bislang aber „sehr ungerecht“, was moralisch und medizinisch ein Problem sei, kritisierten die Gesundheitssprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Maria Klein-Schmeink, sowie der Berichterstatter für globale Gesundheit der Fraktion, Ottmar von Holtz, am Mittwoch.

Solange das Virusgeschehen global unkontrolliert bleibe, sei das Risiko weiterer Mutationen und Infektionswellen „auch hier bei uns sehr hoch“. Impfstoffe seien global so zu verteilen, dass diejenigen mit hohem Risiko und das Gesundheitspersonal schnell geimpft werden könnten.

Pandemie forciert Menschenrechtsverletzungen

Die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ erklärte anlässlich der Vorstellung ihres Jahresberichts 2020/2021 am Mittwoch, COVID-19 habe die „ohnehin prekäre Situation von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten“ in vielen Ländern der Welt weiter verschlechtert. Auch Beschäftigte im Gesundheitsbereich sowie im informellen Sektor litten unter „vorsätzlich vernachlässigten Gesundheitssystemen und erbärmlichen Sozialschutzmaßnahmen“.

In Bangladesch etwa seien viele im informellen Sektor Beschäftigte aufgrund von Ausgangssperren ohne Einkommen oder sozialen Schutz geblieben. In Nicaragua seien Anfang Juni 2020 binnen zweier Wochen mindestens 16 Beschäftigte des Gesundheitswesens entlassen worden, nachdem sie Bedenken hinsichtlich des Mangels an Schutzausrüstung und der staatlichen Reaktion auf die Pandemie geäußert hätten.

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