Aktuelle Stunde im Bundestag zu Maskenkäufen

Chaos der frühen Pandemie: Rufe nach Untersuchungsausschuss und Enquête

Freihändige Schutzmaskenkäufe in den ersten Corona-Monaten: SPD-Abgeordnete reklamiert Unschuldsvermutung auch für Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Rund 100 Gerichtsverfahren noch offen.

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Berlin. Der Deutsche Bundestag hat sich am Donnerstagnachmittag in einer Aktuellen Stunde mit der Beschaffung von Schutzmasken zu Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie auseinandergesetzt. Abgeordnete aller Fraktionen reklamierten Klärungsbedarf. AfD und Bündnis Sarah Wagenknecht forderten einen Untersuchungsausschuss. Abgeordnete von Linken und FDP eine Enquêtekommission. Es gehe nicht um ein Tribunal, wurde beteuert.

Andreas Audretsch (Grüne) sprach im Zusammenhang mit der Maskenbeschaffung von einem „Kaufrausch“ und einem „Desaster“. Der damalige Gesundheitsminister sehe sich einem „blame game“ ausgesetzt, sagte Stephan Pilsinger (CSU).

Koalitionspartner SPD war immer dabei

„Keine Hexenjagd“, hatte die SPD-Abgeordnete Martina Stamm-Fiebich ihre Kolleginnen und Kollegen zu fairem Umgang mit dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aufgefordert. Der verfolgte die Aussprache im Plenum inmitten der Unionsfraktion. Unionsabgeordnete verwiesen darauf, dass die SPD die Entscheidungen zu Beginn der Corona-Zeit mitgetragen habe, einschließlich des damaligen Finanzministers und heutigen Kanzlers Olaf Scholz. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD Heike Baehrens sagte, es gelte auch für Jens Spahn der Grundsatz „in dubio pro reo“. Für eine Situation wie die zu Beginn der Pandemie habe es kein Drehbuch gegeben.

Tatsächlich bestellte das damals von Jens Spahn geleitete Gesundheitsministerium mehr als fünf Milliarden FFP-2-Masken, von denen inzwischen knapp drei Milliarden bereits vernichtet sind und 1,7 Milliarden zur Vernichtung anstehen. In Deutschland verteilt worden sind nach den Aussagen im Bundestag 1,7 Milliarden Stück. Die Beträge, die dafür aufgewendet wurden, sind noch nicht ganz klar: die genannten Summen liegen zwischen 5,7 und 6,4 Milliarden Euro. Die Stückpreise bewegten sich um die 4,50 Euro. Der Bundesrechnungshof hat die Verfahren moniert.

CDU: Schaden wäre nur bei abgeschlossenem Geschäft

Das Ministerium hat zudem einen Teil der Rechnungen nicht beglichen. Dabei geht es um 2,3 Milliarden Euro, mit Zinsen möglicherweise bis 3,5 Milliarden. So wurde es in der Aussprache berichtet. „Der Schaden wäre nur entstanden, wenn das BMG alle Lieferungen angenommen hätte“, argumentierte die Union.

Rund 100 Verfahren vor Gerichten sind wohl noch anhängig. Grund: Lieferungen hätten nach den Vorgaben des damaligen Open House-Verfahrens bis zum 30. April 2020 eintreffen müssen. Gestritten wird also über zu spät eingegangene und nicht angenommene Lieferungen und schadhafte Lieferungen.

Grüne: Geld für Steuerzahler retten

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Tino Sorge verwies daher darauf, dass „Streitwerte ungleich Strafzahlungen“ seien. Es gebe bereits Urteile zu Gunsten des BMG. „Der Schaden wäre nur entstanden, wenn die Lieferungen angenommen worden wären. Die Grünen-Abgeordnete Dr. Paula Piechotta sagte der Ärzte Zeitung: „Angesichts der Kostenrisiken bei den Masken-Gerichtsverfahren versuchen wir, möglichst viel Geld für den deutschen Steuerzahler zu retten.“

Der Angegriffene nutzte zum Schluss der Aktuellen Stunde die Gelegenheit zu einer Erklärung: Zu Beginn der Pandemier habe Chaos auf der ganzen Welt geherrscht. Es habe keine Masken mehr auf dem Markt gegeben. Der größte Lieferant, nämlich China, habe sich abgeschottet, beschrieb Spahn die damalige Lage. Aus heutiger Sicht würde er Open House-Ausschreibungen nicht mehr empfehlen. „Ich bin neidisch auf die, die im Nachhinein vorher immer alles gewusst haben“, sagte Jens Spahn. (af)

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