Grossbritannien

Corona-Pandemie lässt NHS in neuem Glanz strahlen

In der Vergangenheit vielfach in der britischen Öffentlichkeit beschimpft, wird dem staatlichen Gesundheitsdienst plötzlich gehuldigt. Die Corona-Pandemie macht’s möglich.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:
Huldigung für den NHS und die Pflegekräfte: Bildhauer Luke Perry dankt mit einem geflügelten medizinischen Mitarbeiter, der in der Nähe von Birmingham installiert wurde.

Huldigung für den NHS und die Pflegekräfte: Bildhauer Luke Perry dankt mit einem geflügelten medizinischen Mitarbeiter, der in der Nähe von Birmingham installiert wurde.

© Jacob King//picture alliance/empics

London. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie in Großbritannien huldigen die Briten wieder einer seit vielen Jahren kriselnden und oft auch geschmähten Institution: dem staatlichen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS). Ärzte und Krankenpflegepersonal werden von Öffentlichkeit und Politik quasi als Heilige und Retter gefeiert.

Den Anfang dieser neuen Verehrung machten im März NHS-Pfleger, denen seitdem einmal pro Woche an öffentlichen Orten in ganz Großbritannien millionenfach Beifall geklatscht wurde. Selbst Premier Boris Johnson zollte „our wonderful NHS doctors and nurses“ mehrfach Tribut.

Lob von höchster Stelle

Johnson hatte kürzlich nach mehrtägiger intensivmedizinischer Betreuung in einem großen Londoner NHS-Krankenhaus seine COVID-19-Infektion überstanden. „Mein persönlicher Dank gilt den Ärzten und Pflegern ohne die ich vermutlich nicht überlebt hätte“, so der Regierungschef überschwänglich.

Johnsons Gesundheitsminister Matt Hancock versprach zusätzliche Milliarden für den NHS. Freilich: Auf Fragen von Journalisten, wann genau dieser versprochene Geldregen über Kliniken und Arztpraxen niederprasseln soll, blieb der Minister konkrete Zusagen schuldig.

Der NHS gilt seit vielen Jahren als chronisch unterfinanziert und schwächelnd. Oftmals müssen britische Patienten viele Monate auf eine Operation oder auf eine fachärztliche Konsultation warten.

Seit Brexit-Votum wird der Mangel an Pflegepersonal größer

Ein weiteres Problem ist der inzwischen in vielen Landesteilen sehr deutlich spürbare Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal. Seit dem Brexit-Votum vor mehr als drei Jahren haben tausende NHS-Krankenpflegekräfte Großbritannien verlassen, ohne dass für sie Ersatz gefunden werden konnte.

Die größte britische Berufsvereinigung von Krankenpflegepersonal (Royal College of Nursing, RCN) bestätigte auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“, dass landesweit „mehr als 40.000“ Pfleger fehlten. Damit sei mehr als jede zehnte Stelle unbesetzt.

„Es nutzt uns nichts, dass Menschen unserem Berufsstand öffentlich applaudieren, wenn gleichzeitig auf den Stationen Schutzausrüstungen fehlen, die uns vor einer COVID-19-Infektion schützen“, sagt die Londoner Krankenschwester Lucy Williamson der „Ärzte Zeitung“.

Sogar Banksy dankt mit Graffiti

Dennoch verändert COVID-19 das Image des NHS und wie die britische Öffentlichkeit auf den Gesundheitsdienst schaut. So monieren die Medien seit Beginn der Pandemie etwa nicht länger, wie schlecht doch die medizinische Versorgung im Königreich sei.

Bürgerinitiativen schmücken die Fassaden von Kliniken und Praxen mit Girlanden, an denen oftmals kleine Teddybären oder handgeschriebene Thank you-Karten baumeln.

„Wir haben eine neue Ikone – unseren alten NHS“, schrieb kürzlich die Tageszeitung „Times“. Sogar der weltbekannte Graffiti-Künstler Banksy stimmte mit ein in den Chor der Huldigungen. Über Nacht erschien in einer NHS-Klinik im südenglischen Southhampton ein neues Kunstwerk von ihm – als persönliches Danke schön.

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