Breite Debatte
Das Projekt allgemeine Corona-Impfpflicht stockt
Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine allgemeine Corona-Impfpflicht bis März angekündigt – doch ob ein Gesetz beizeiten kommt, wird angezweifelt. Gleichwohl ist die Diskussion darüber in voller Fahrt.
Veröffentlicht:Berlin. Das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene Projekt einer allgemeinen Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 läuft nicht rund.
Scholz hatte nach dem Regierungsantritt im Dezember eine Impfpflicht bis Februar oder März 2022 angekündigt, die Initiative jedoch unter Verweis auf den ethischen Charakter der Frage umgehend wieder in den Bundestag zurückverwiesen.
Dieser Zeitrahmen war möglicherweise zu optimistisch gesteckt. Eine für kommende Woche erwartete Aussprache des Bundestages über fraktionsoffene Gruppenanträge findet wohl nicht statt.
Das war am Donnerstag aus dem Umfeld von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) zu hören, der als Abgeordneter einen Gruppenantrag gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht lanciert hat. Die Orientierungsdebatte könnte erst einmal Ende Januar stattfinden.
SARS-CoV-2 im Bundestag
20 Liberale contra Corona-Impfpflicht
SPD will in kurzer Zeit viel diskutieren
Die stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Dagmar Schmidt und Dirk Wiese, haben den Abschluss eines Gesetzgebungsprozesses im ersten Quartal zwar noch im Blick, ihr Programm bis dahin ist allerdings ambitioniert.
„Wir werden den Januar dafür nutzen, um in intensiven Gesprächen mit Expertinnen und Experten, in der Fraktion, in den Wahlkreisen und in einer Orientierungsdebatte im Parlament eine breite Debatte zu ermöglichen“, teilten sie am Donnerstag mit. Für diese „breite Diskussion“ über ein „gesellschaftlich sensible Thema“ werde die SPD-Fraktion sich „ausreichend Zeit“ nehmen.
Die wissenschaftliche Unterfütterung einer, über die bereits beschlossene Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegewesen gehenden Impfpflicht ist dünn. Der Ethikrat zeigte sich in Fragen der Umsetzung weiterreichenden Impfpflicht tief gespalten. Rechts- und verwaltungstechnische Fragen der praktischen Umsetzung dürften im Vorfeld nicht bagatellisiert werden.
Zweifel am Erfordernis einer Impfpflicht
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kam Ende Dezember zu dem Schluss, dass ein solcher „Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre, wenn die Regelung verhältnismäßig wäre, mit ihr also ein legitimes Ziel verfolgt würde und sie ferner geeignet, erforderlich und angemessen wäre.“
Diese Erforderlichkeit wird mit dem zunehmenden Erstarken der Omikron-Variante zusehends infrage gestellt. Justizminister Marco Buschmann (FDP) äußerte Medien gegenüber Zweifel, ob eine Impfpflicht noch durchzuhalten sei, wenn die Abstände erforderlicher Auffrischungsimpfungen immer kürzer würden. In die gleiche Kerbe hieb Unions-Fraktions-Vize Carsten Linnemann (CDU).
Bürokratiemonster Impfregister
Ein weiterer Knackpunkt scheint ein Nationales Impfregister und die damit verbundene Bürokratie zu werden. Der Ethikrat hat einem direkten Einladungssystem für „Impfverpflichtete“ mit dem Angebot von „personalisierten Terminen“ geraten. Dazu empfiehlt der Rat, ein „datensicheres nationales Impfregister“. Dieses würde die Umsetzung von Impfpflichten „erleichtern“, heißt es.
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach hat sich von einer solchen Idee allerdings verabschiedet. Der SPD-Politiker befürwortet nach wie vor eine schnelle allgemeine Impfpflicht, fürchtet aber die mit einem Impfregister verbundene Bürokratie.
Eine weitere Möglichkeit, mit der Impfpflicht umzugehen, brachte der FDP-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, Michael Theurer, ins Gespräch. Statt des Bundes sollten die Länder Impfpflichten erlassen. Länder mit hoher Impfquote könnten dann darauf verzichten. Es wird allerdings bezweifelt, ob dieser Vorschlag einen Verfassungscheck bestehen würde.