Berlin
Debatte um KV-Notfallpraxen
Die Rettungsstellen der Berliner Kliniken sind mit zu vielen ambulanten Patienten überlastet. Politiker und Kliniken sehen die KV in der Pflicht. Die äußert sich jedoch nicht.
Veröffentlicht:BERLIN. Das System der Bereitschaftsdienstpraxen Kassenärztlicher Vereinigungen an Krankenhäusern soll ausgebaut werden. Dafür setzt sich der Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) ein.
"Die Einrichtung von KV-Notfallpraxen an Krankenhäusern ist ein vernünftiger Weg, um die Rettungsstellen von einem Teil der ambulanten Fälle zu entlasten", so Czaja zur "Ärzte Zeitung".
Seit langem spricht der Senator mit der Berliner KV über den Ausbau der kinderärztlichen Notfallpraxen an Krankenhäusern. Bei der Vorstellung der neuen Krankenhausplanung räumte er aber ein, dass diese Gespräche kaum vorankommen. Die KV bewege sich, aber über das Tempo lasse sich streiten, so Czaja.
Dabei hat er sogar weitergehende Pläne: "Über KV-Praxen für Erwachsene an Krankenhäusern wollen wir dann mit der KV Berlin erneut sprechen", kündigte der Senator der "Ärzte Zeitung" an.
In der neuen Krankenhausplanung für die Hauptstadt ist die ambulante Notfallversorgung ein Schwerpunkt. Von den 1,2 Millionen Patienten, die die Rettungsstellen der Berliner Krankenhäuser pro Jahr behandeln, sind 80 Prozent ambulante Fälle.
Dieser Anteil liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. "In der Tat hätten mehr als 800.000 von ihnen auch von einem niedergelassenen Arzt versorgt werden können", bestätigte Czaja.
Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) wirft der KV Berlin daher vor, dass sie die ambulante Notfallversorgung nicht ausreichend sicherstelle. Die ambulante Notfallversorgung würden im Wesentlichen die Kliniken wahrnehmen.
Über 800.000 ambulanten Notfällen in den Rettungsstellen stehen laut BKG 160.000 Bereitschaftsdiensteinsätze gegenüber. Die BKG fordert daher "angesichts der Überlastung der Notfalleinrichtungen durch rein ambulante Notfälle und einer nicht annähernd adäquaten Finanzierung dringend Lösungsansätze unter Einbindung des Vertragsärztebereiches".
Längere Öffnungszeiten gefordert
Sie sieht die KV Berlin gefordert, "Maßnahmen zu ergreifen, die im Hinblick auf ihren Sicherstellungsauftrag eine bessere ambulante Notfallversorgung durch die Vertragsärzte beziehungsweise den ärztlichen Bereitschaftsdienst, insbesondere außerhalb der Sprechstundenzeiten, gewährleisten und die Kliniken entlasten".
Unter anderem fordert sie Verbesserungen beim fahrenden und fachärztlichen Bereitschaftsdienst sowie längere Praxisöffnungszeiten, auch am Wochenende.
Kritik an der Notfallversorgung durch die KV äußerte auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses Wolfgang Albers (Linke). "Die KV ist mehrfach aufgefordert worden, die Versorgung der Patienten am Wochenende sicherzustellen", sagte er der "Ärzte Zeitung".
Die KV Berlin äußerte sich trotz dieser Vorwürfe nicht. Über die Gründe der Misere gibt es viele Mutmaßungen.
"Einerseits betrachten manche Patienten das Angebot der KV als nicht ausreichend und nehmen bei akuten gesundheitlichen Problemen nicht zuerst ihren Hausarzt oder den KV-Notdienst in Anspruch", so Czaja. Andererseits würden Patienten die Rettungsstellen aufsuchen, weil sie sich so eine unmittelbare Abklärung ihrer Beschwerden erhoffen.
"Es muss dabei auch bedacht werden, dass viele der ambulant im Krankenhaus verbleibenden Patienten tatsächlich in die Notaufnahme gehören", so der Senator weiter.
Diese Auffassung bestätigen die Erfahrungen mit KV-Bereitschaftsdienstpraxen an Kliniken in Brandenburg: Sie konnten bislang zwischen zehn und 20 Prozent der Fälle aus den benachbarten Rettungsstellen übernehmen.
Der Gesundheitsexperte der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus Heiko Thomas begrüßt die Idee der KV-Ambulanzen an Kliniken. Es sei in Berlin traditionell üblich, einfach ins Krankenhaus zu gehen, und auch Touristen würden in aller Regel direkt in die Klinik gehen. Der Linken-Politiker Albers hält die KV-Bereitschaftsdienstpraxen dagegen für einen "Riesenaufwand, nicht durchdacht, nicht finanziert".
Einig sind sich jedoch in diesem Diskussionsprozess alle, dass die ambulante Notfallversorgung immer noch nicht ausreichend vergütet ist. Berlin setze sich daher auf Bundesebene dafür ein, dass ambulante Notfälle besser und gerecht vergütet werden, so Czaja.