Krebsforschung
Dekade gegen Krebs: Brücke zur ambulanten Medizin fehlt noch häufig
Die Nationale Dekade gegen den Krebs bietet die Chance, die onkologische Versorgung und Prävention auf ein neues Qualitätsniveau zu heben. Eine erste Zwischenbilanz aus Sicht des Medizinischen Fakultätentages.
Veröffentlicht:Berlin. Die systematische Vernetzung von Zentren der Spitzenversorgung mit Grundlagen- und klinischer Forschung, ohne die ambulante Versorgung in der Fläche außer Acht zu lassen, hat mit der 2019 gestarteten Nationalen Dekade gegen den Krebs eine neue Qualität erreicht.
Zu den Herausforderungen der Dekade gegen den Krebs zählt die wachsende Datenflut, die durch neue diagnostische Methoden verursacht wird und die einer Zusammenführung und Auswertung, auch durch Künstliche Intelligenz, bedarf.
Die Herausforderung, so der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen, Professor Bernd Pichler, bestehe darin, Pilotprojekte in die breite Anwendung zu bringen und die ambulante Medizin und somit die kontinuierliche Versorgung und Nachsorge der Patienten durch niedergelassene Fachärzte einzubeziehen. Gegenwärtig ungelöst sei der Mangel an IT-Personal sowie deren hohe Lohnkosten. Pichler sprach am Donnerstag auf dem Medizinischen Fakultätentag beim Forum der Universitätsmedizin.
Nach Auffassung des Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg, Professor Michael Baumann, wird es notwendig sein, über eine Reallokation von Forschungsinvestitionen zu entscheiden. Es bestehe ein Ungleichgewicht, wenn einerseits 50 bis 55 Prozent der Krebserkrankungen durch Früherkennung vermieden werden können, andererseits aber nur rund zehn Prozent der Forschungsbudgets in die Präventionsforschung investiert würden.
Förderschwerpunkt Prävention
Prävention müsse ein neuer Förderschwerpunkt werden. In Kooperation mit der Deutsche Krebshilfe habe das DKFZ mit dem Aufbau eines Präventionsschwerpunktes begonnen, in das auch soziale Settings wie Schulen und Betriebe integriert werden.
Neue Instrumente der molekularbiologischen Diagnostik eröffneten die Chance, so Professor Angelika Eggert vom Vorstand des Comprehensive Cancer Center der Charité, die Mechanismen und den Einfluss von Verhaltensänderungen auf molekularbiologische Daten aufzuklären. Das erfordere die Einbindung niedergelassener Ärzte.
Neue Technologien, etwa die mRNA-Technologie, machen es notwendig, auch Ausbildungsinhalte neu zu priorisieren, so Pichler, beispielsweise eine Aufwertung der Immunologie und Pharmakologie und deren Rolle in der Forschung und insbesondere der Lehre zu stärken. Das stehe in Tübingen auf dem Arbeitsprogramm bei anstehenden Berufungen.
Neue Karriereoptionen
Ein noch nicht befriedigend gelöstes Problem sei die Entwicklung neuer Karriereoptionen, beispielsweise für das Berufsbild des Clinical Scientists, der in einer Art Scharnierfunktion Forschung und klinische Praxis verbindet, so die Idee Eggerts und Pichlers. Immer noch bestehe das Risiko, dass die Tätigkeit in der Forschung zugunsten dringenden Versorgungsbedarfs in der Klinik zurückstehen müsse.
Die nicht erwünschte Konsequenz sei dann, dass unter nachvollziehbaren Karriereaspekten eine Entscheidung entweder zugunsten der Forschung oder zugunsten der Versorgung falle und in der Brückenfunktion eines Clinical Scientists keine Berufsperspektive gesehen werde.