Ruf nach mehr Prävention
"Der Suizid trägt die Handschrift des Alters"
Mit zunehmendem Alter steigt das Suizidrisiko in Deutschland deutlich an: Vor allem Männer über 60 nehmen sich das Leben. Mit einem Memorandum wollen Experten für mehr Aufmerksamkeit bei der Suizidprävention Älterer werben. Dabei sehen sie auch Hausärzte in der Pflicht.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Suizidrisiko in Deutschland steigt mit zunehmendem Lebensalter deutlich.
Vor allem Ärzte müssten für die Prävention von Suiziden im Alter stärker sensibilisiert werden, erklärten Mitglieder der Arbeitsgruppe "Alte Menschen" im Nationalen Suizidpräventionsprogramm für Deutschland vor Journalisten in Berlin.
"Der Suizid trägt die Handschrift des Alters", sagte Dr. Reinhard Lindner vom Therapiezentrum für Suizidgefährdete am Uniklinikum Hamburg und Mitglied der Arbeitsgruppe.
Zu wenige Psychotherapie-Angebote
Vor allem bei Männern über 60 Jahren sei die Suizidrate hoch. "Bei vielen älteren Männern stellt sich das Gefühl ein, körperlich nicht mehr funktionsfähig zu sein. Die gefühlte Abhängigkeit von anderen kann zu psychischen Problemen führen", so Lindner.
"Die individuelle Suizidprävention bietet das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Gespräch", erklärte Dr. Uwe Sperling, Gerontologe in Mannheim.
Problem sei, dass zu wenig Psychotherapie für Ältere angeboten werde, und Ältere gleichzeitig sich selten an Psychotherapeuten wenden.
Daher müssten auch Hausärzte dafür sensibilisiert werden, in Gesprächen mit älteren Patienten auf Anzeichen für Suizidgedanken zu achten.
Neben den klassischen Merkmalen einer Depression sollten Hausärzte auch auf Auslöser und Hintergründe eines möglichen Suizides achten.
Nicht den Lebensmut verlieren
Das können neben finanziellen und familiären Problemen vor allem körperliche Einschränkungen sein. "Es muss den älteren Menschen vermittelt werden, dass sie sich auch im Alter noch weiter entwickeln können und den Lebensmut nicht verlieren", so Lindner.
Um wirksame Suizidprävention zu gestalten, sei auch ein Blick auf die Suizidmethoden nötig: So ist das Erhängen die dominanteste Methode älterer Männer, der Tod auf Bahngleisen eher selten.
Frauen wählen eher den Tod durch Medikamente. Im Krisenfall sollten entsprechende psychiatrische Fachdienste informiert werden.
In der Debatte um ein neues Gesetz zum assistierten Suizid werben die Experten für eine Fokussierung auf Prävention und palliativmedizinische Begleitung. "Suizidpräventive Maßnahmen müssen Vorrang vor der Suizidassistenz haben", so Sperling.
Bewusst habe sich die Arbeitsgruppe mit dem Memorandum aber entschieden, keinen Vorschlag zur Sterbehilfediskussion vorzulegen.