Pandemie-Politik des Donald Trump

Der selbstgefällige Corona-Präsident

Donald Trump dürfte als Corona-Präsident in die US-Geschichte eingehen. Seinem Konkurrenten Joe Biden zufolge wären viele Todesfälle vermeidbar gewesen. Eine Rekapitulation der vergangenen Monate.

Von Jürgen Bätz Veröffentlicht:
Skeptischer Blick: Donald Trump (l.) missfällt, dass sein Corona-Berater Antony Fauci mit Fakten aufwartet, die das wahre Ausmaß der Pandemie transparent machen.

Skeptischer Blick: Donald Trump (l.) missfällt, dass sein Corona-Berater Antony Fauci mit Fakten aufwartet, die das wahre Ausmaß der Pandemie transparent machen.

© Oliver Contreras / Pool / ABACA

Washington. Es ist eine unvorstellbare Zahl, ein kaum zu begreifendes Maß an Leid und Trauer: In den USA sind inzwischen fast 200.000 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Das entspricht einer ausgelöschten Großstadt, etwa der 67-fachen Opferzahl der Terroranschläge vom 11. September 2001. Zehntausende trauern um ihre Eltern. Andere vermissen Geschwister, Großeltern, Partner oder Freunde. Kritiker werfen Präsident Donald Trump Versagen vor.

Das von Trump immer wieder als „unsichtbarer Feind“ bezeichnete Virus könnte bei der Präsidentenwahl am 3. November seine Hoffnung auf eine zweite Amtszeit zunichtemachen. Trump dürfte als Corona-Präsident in die Geschichtsbücher eingehen – so oder so.

Noch im Januar konnte er sich dank sehr guter Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Börsendaten gute Chancen auf eine Wiederwahl ausrechnen. Doch dann stürzte die Pandemie die Wirtschaft in eine schwere Krise, die Infektionszahlen gingen durch die Decke, das Massensterben begann.

Nur wenig Mitgefühl für die Opfer

Kritiker werfen Trump vor, dass er kaum Mitgefühl für die Opfer der Pandemie erkennen lasse. Er erklärt, die von ihm verhängten Einreisesperren für Reisende aus China und Europa sowie die übrigen Maßnahmen seiner Regierung hätten „Hunderttausende“ Menschenleben gerettet. Die hohe Zahl der bestätigten Infektionen zeige vor allem, dass die USA sehr viele Tests machten. „Wir sind sehr stolz auf den Job, den wir gemacht haben. Und wir haben viele Leben gerettet, eine gewaltige Zahl Leben“, sagte Trump im Fernsehsender ABC.

Doch die Zahl von annähernd 200000 Todesopfern zeigt, dass die Pandemie nicht optimal gemanagt wurde. Der Anteil der Vereinigten Staaten an der Weltbevölkerung liegt bei weniger als fünf Prozent, aber die USA stehen für etwa 20 Prozent aller weltweit bekannten Todesfälle. Solche Vergleiche sind schwierig, weil bei der Pandemie sehr viele Faktoren eine Rolle spielen. Doch der Blick auf die Opferzahlen in anderen Ländern lässt eine klare Tendenz erkennen. In den USA sind Daten der Universität Johns Hopkins zufolge 60 Menschen pro 100.000 Einwohner nach einer Corona-Infektion gestorben – etwa genauso viel wie in Italien oder Schweden. Falls die USA aber die gleiche Sterblichkeitsrate wie das Nachbarland Kanada (25) hätten, wären etwa 115.000 Amerikaner noch am Leben. Bei einer Rate wie in Deutschland (11,3 Tote pro 100.000 Einwohner) könnten heute sogar 160.000 Amerikaner noch bei ihren Familien sein.

Was sollen Masken bringen?

Trump tat sich mit vielen Tweets und Pressekonferenzen zur Pandemie hervor. Doch anstatt den Kampf gegen das Virus anzuführen, schien er ihn manchmal zu behindern: Bis Anfang März spielte er die Bedrohung herunter und verglich das Virus mit einer „normalen Grippe“. Das Virus werde schon bald „wie ein Wunder“ wieder verschwinden. Den Nutzen von Masken stellt er bis heute in Frage.

Zeitweise warb er für ein Malaria-Medikament als Mittel gegen das Virus, einmal schlug er sogar das Spritzen von Desinfektionsmittel vor. Aus dem Weißen Haus kamen anstatt klarer Ansagen auf wissenschaftlicher Basis verwirrende Botschaften, die dem Rat von Epidemiologen und Medizinern teils klar widersprachen.

Trump ist natürlich nicht allein für den Kampf gegen Corona verantwortlich – auch Gouverneure der Bundesstaaten und Bürgermeister sind in der Pflicht. Doch der Präsident gibt die Richtung vor, seine Worte haben Gewicht. In der Krise erwarten Amerikaner von ihrem Präsidenten Führungsstärke und wohlüberlegte Empfehlungen.

Trumps Herausforderer, der Demokrat Joe Biden, lässt keinen Zweifel daran, dass er den Republikaner persönlich für Versagen verantwortlich macht. „Als wir ihn brauchten, um Maßnahmen zur Eindämmung zu ergreifen, verbrachte er seine Tage mit Golfspielen“, schrieb Biden auf Twitter. „Als wir den Präsidenten am meisten gebraucht haben, war er nirgends zu finden. Das ist unverzeihlich.“

In jüngst veröffentlichten Interviews mit dem Journalisten Bob Woodward räumte Trump ein, die Gefahr zunächst absichtlich heruntergespielt zu haben, um keine Panik zu verursachen. Trump wusste demnach bereits Anfang Februar, dass das Virus sich über Luft überträgt und tödlicher ist als eine Grippe.

Biden wirft Trump nun vor, das Volk belogen zu haben. „Er wusste es und hat nichts getan. Das ist fast schon kriminell“, sagte Biden im Sender CNN. „Stellen Sie sich vor, er hätte etwas gesagt. Wie viele Menschen wären heute noch am Leben?“

Biden bei Corona im Vorteil

Die Pandemie könnte wahlentscheidend sein: Vor allem für die Angehörigen der Corona-Toten, für die fast sieben Millionen Menschen, die inzwischen positiv auf das Virus getestet wurden, sowie für die etwa 30 Millionen Menschen, die wegen der Wirtschaftskrise eine Form von Arbeitslosenhilfe beziehen, dürfte sie bei der Stimmabgabe eine große Rolle spielen.

Mehrere Umfragen haben gezeigt, dass die meisten Wähler dem früheren Vizepräsidenten Biden eher als Trump zutrauen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Biden (77) liegt auch in landesweiten Umfragen seit Monaten vor Trump (74). Bis zum Wahltag in rund sechs Wochen kann sich aber noch vieles ändern.

Die Pandemie hat sich in den USA zuletzt auf hohem Niveau stabilisiert. Zuletzt wurden täglich rund 40000 bestätigte Neuinfektionen gemeldet. Experten zufolge müsste diese Zahl aber unter 10000 gebracht werden, um sie unter Kontrolle zu bringen. Mediziner warnen zudem, dass die Zahl der Infektionen mit Beginn der kalten Jahreszeit erneut ansteigen dürfte.

Trump scheint im Endspurt des Wahlkampfs vor allem auf eine Corona-Impfung zu setzen. Fast täglich verspricht er, der Impfstoff werde bald verfügbar sein - zuletzt sprach er von „Mitte Oktober“, rund zwei Wochen vor der Wahl. Experten halten das angesichts der nötigen klinischen Tests zur Prüfung der Wirksamkeit eines Impfstoffs kaum für möglich.

Auch der Chef der US-Gesundheitsbehörde CDC, Robert Redfield, widersprach Trumps Zeitplan, als er unter Eid im Senat aussagte. Trump kanzelte Redfield sofort öffentlich ab: „Ich glaube, er war verwirrt, als er das sagte.“ Dem Sender ABC sagte er: „Ich will nicht, dass die Menschen in Panik verfallen.“ (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gastbeitrag

Österreich bleibt für deutsche Medizinstudierende attraktiv

Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Porträt

Felix Michl: Unternehmer, Jurist und Medizinstudent

Kommentar zur Entscheidung des Bundesrats

Klinikreform – ein Fall fürs Lehrbuch

Lesetipps
Arzt injiziert einem älteren männlichen Patienten in der Klinik eine Influenza-Impfung.

© InsideCreativeHouse / stock.adobe.com

Verbesserter Herzschutz

Influenza-Impfraten erhöhen: So geht’s!