TK-Studie

Deutsche sitzen in der Bewegungsfalle

Sitzen, glotzen, ruhen: Nach einer TK-Studie verbringt die Hälfte der Deutschen ihr Leben im Energiesparmodus.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

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HAMBURG. Fast jeder zweite Deutsche ist nach eigener Einschätzung "Sportmuffel" (30 Prozent) oder sogar "Antisportler" (18 Prozent).

Das geht aus der Studie "Beweg Dich, Deutschland" hervor, die die Techniker Krankenkasse am Mittwoch vorgestellt hat.

Im Auftrag der Kasse hat das Institut Forsa 1210 Personen über 18 Jahren zu ihrem Bewegungsverhalten befragt.

Im Schnitt bewegt sich rund ein Drittel der Befragten täglich bis zu einer halben Stunde per Rad oder zu Fuß (34 Prozent). Bei einem weiteren Drittel sind es 30 bis 60 Minuten pro Tag.

Jenseits dieser kurzen Aktivitätsphasen sitzen die Deutschen, und zwar im Schnitt 6,5 Stunden pro Tag. Jeder Fünfte (21 Prozent) verbringt sogar neun Stunden oder mehr auf dem Stuhl oder im Sessel.

Wenig Bewegung im Job - und nach Feierabend

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Und dies ändert sich auch nach Feierabend oft nicht: Gerade die Generation der bis zu 40-Jährigen verbringt den Abend überwiegend auf dem Sofa: 55 Prozent der Befragten dieser Altersgruppe erklären, der Tag sei so anstrengend, dass sie am liebsten entspannen.

Über alle Altersgruppen hinweg erklären sich 42 Prozent abends zum Couch-Potato.

Er sei "erschrocken gewesen über die Zahlen", sagte TK-Vorstand Dr. Jens Baas. Denn die gesundheitlichen Probleme akkumulierten sich, da diejenigen, die keinen Sport treiben, sich auch im Alltag wenig bewegten.

Insbesondere zeigt die Studie, dass das Bewegungsverhalten mit sozialen Unterschieden einhergeht: Antisportler stammen häufig aus Haushalten mit Niedrigeinkommen - ein Grund dürfte ihre starke körperliche Beanspruchung im Job sein.

Mit klassischen Präventionskursen der Kassen werde diese Zielgruppe nicht erreicht, sagte Baas. Hier biete die Digitalisierung eine Chance. Baas verwies als Beispiel auf Smartphone-Apps, die spielerisch Sport-Müde in Bewegung bringen könnten.

Denn jedem zweiten Befragten fehlt es laut TK-Studie an der nötigen Motivation, um sich aufzuraffen. 37 Prozent geben Krankheit oder Übergewicht als Gründe an, lieber sitzenzubleiben. Für 34 Prozent ist das schlechte Wetter die geeignete Ausrede, 35 Prozent geben an, sie hätten schlicht keine Zeit für Sport.

Baas: "Komplette Fehlsteuerung"

Zeit ist aber für TV, PC oder Tablet reichlich da: Auf 3,1 Stunden addiert sich im Schnitt der tägliche Medienkonsum. Bei 29 Prozent der Befragten wird der Bildschirm sogar für vier Stunden oder mehr zur Bewegungsfalle.

TK-Baas beklagte eine "komplette Fehlsteuerung" im Gesundheitswesen, da es für eine Krankenkasse ökonomisch keinen Sinn mache, einem Versicherten beim Gesundwerden zu helfen.

Doch die Zunahme lebensstilbedingter Erkrankungen habe Kostenfolgen für Kassen und die Wirtschaft. Antworten auf diese Herausforderungen könnten Krankenkassen nicht alleine geben, mahnte Baas.

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Kommentare
Cordula Molz 15.04.201608:55 Uhr

ist dieser Satz eigentlich jemandem aufgefallen?

"TK-Baas beklagte eine "komplette Fehlsteuerung" im Gesundheitswesen, da es für eine Krankenkasse ökonomisch keinen Sinn mache, einem Versicherten beim Gesundwerden zu helfen."

Ein wahres Wort - für welche am System beteiligten "Leistungsbringer" lohnt es sich denn ökonomisch, dem Mitmenschen beim Gesunden zu helfen?

Ist das nicht ein guter Grund, über das gesamte System nachzudenken und es anders auszurichten?

Dr. Thomas Georg Schätzler 14.04.201614:43 Uhr

Der Tod rückt im Sitzen näher - "Ich glotz TV" (Nina Hagen 1978)

An Werktagen verbringen wir Deutschen durchschnittlich siebeneinhalb Stunden im Sitzen, ergab eine Umfrage von DKV-Krankenversicherung und Sporthochschule Köln. Die aktuelle Studie "Beweg Dich, Deutschland" der Techniker Krankenkasse kann die allgemeine Bewegungs Faul- und Trägheit nur bestätigen.

Eine in der Ärzte Zeitung referierte Publikation "Sedentary Time and Its Association With Risk for Disease Incidence, Mortality, and Hospitalization in Adults: A Systematic Review and Meta-analysis" von Aviroop Biswas et al. erläutert die internationale Verbreitung unserer "fußlahmen" Bewegungsmuster in Deutschland.

“Television Viewing, Computer Use, Time Driving and All-Cause Mortality: The SUN Cohort” ist der Titel einer Publikation von Francisco Javier Basterra-Gortari et al. im Journal of the American Heart Association (JAHA). Eine echt prospektive Studie, mit der eine Hypothese geprüft, bestätigt oder verworfen wird, war diese Untersuchung allerdings auch nicht.
J Am Heart Assoc. 2014; http://dx.doi.org/10.1161/JAHA.114.000864

Niemand kann exakt im Voraus sagen, wie lange er zukünftig im Büro sitzen, fernsehen, Computer benutzen oder Auto fahren werden wird, sondern sich allenfalls bei Befragungen retrospektiv grob erinnern, dass da mal irgendwas mit TV, PC und PKW war: „13 284 Spanish university graduates with a mean age of 37 years were followed-up for a median of 8.2 years“ wurden nur per Fragebogen zum Thema Sitzdauer pro Tag befragt.

Ein bekanntes Motto lautet: ''Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft''. E. S. George et al. haben dazu im Int J Behav Nutr Phys Act. Anfang 2013 veröffentlicht: „Chronic disease and sitting time in middle-aged Australian males: findings from the 45 And Up Study”
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3571940/
Sie fanden einen positiven Zusammenhang zwischen der täglichen Sitzdauer und dem Auftreten von Diabetes mellitus bzw. anderen chronischen Krankheiten im Rahmen einer ebenfalls retrospektiven Krankheits-Register-Studie. Sie forderten prospektive Studien zur Klärung eines Kausalitäts-Zusammenhangs.

Denn nicht nur Bewegungsmangel und das viele Sitzen allein lassen Krankheiten entstehen. Sondern auch und gerade die krankheits- und behinderungsbedingten Bewegungs- und Leistungs-Einschränkungen diktieren u. a. die tägliche Sitzdauer. Andernfalls müssten Bus- und Taxifahrer, Piloten, Rennfahrer, Büro- und Verwaltungsangestellte, in der Ärzte Zeitung Kommentare schreibende Kollegen/-innen oder Pförtner reihenweise Bewegungsmangel bedingt krank werden und tot umfallen.

Erst die ABC-Morbidität von Adipositas, Bewegungsmangel und Co-Faktoren wie metabolisches Syndrom, Hyperinsulinismus, endokrine Pankreasinsuffizienz, Insulinresistenz, idiopathische und genetisch-hereditäre Faktoren machen z. B. den Typ-2-Diabetes mellitus aus.

Nach einer Analyse des australischen "AusDiab-Registers" aus dem Jahr 2011 soll sechs Stunden täglicher Fernsehkonsum das Leben im Mittel um fünf Jahre verkürzen (Br J Sports Med 2011, online 15. August). Unter Verwechslung von Wirkung und Ursache wurde die unsinnige Hypothese aufgestellt, dass "Fernsehkonsum von 6 Std. tgl." s e l b s t aktiv das Leben verkürzen könne.

Andernorts wurde sogar publiziert, möglichst wenig fernzusehen, reduziere präventiv die Prävalenz von Typ-2-Diabetes (JAMA. 2011;305(23):2448-2455).

Entscheidend bleibt doch: Wir sterben wegen der Endlichkeit des Lebens und weil wir uns vor dem Sterben über kurz oder lang nicht mehr so viel bewegen können.

"Deutsche - Ein Volk von Sitzenbleibern" mit exzessiven TV-Konsum und durchschnittlich 7,5 Stunden Sitzen pro Tag sind doch eher Surrogat-Parameter: Fernsehdauer und das Stillsitzen sind allenfalls Indikatoren für Krankheits- und Motivationsmangel-bedingte Mobilitätseinschränkungen, aber keine validen, monokausalen Parameter für Morbidität und Mortalität. Wir sterben nicht, w e i l wir zu viel fernseh

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