OECD-Vergleich

Deutschland ist bei Lebenserwartung erstmals unter EU-Schnitt

Bei einem OECD-Report liegt das deutsche Gesundheitswesen nur bei den Ausgaben weit vorn im EU-Vergleich. Bei der Versorgung fallen die Outcomes mitunter bescheiden aus, ebenso bei der Prävention.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Das deutsche Gesundheitswesen im Vergleich mit EU-Ländern – die Bilanz fällt gemischt aus.

Das deutsche Gesundheitswesen im Vergleich mit EU-Ländern – die Bilanz fällt gemischt aus.

© Denys Rudyi / stock.adobe.com

Paris/Berlin. Die Gesundheitssysteme in den Industrieländern stehen vor multiplen Herausforderungen. Einer der größten davon ist der Fachkräftemangel, heißt es in der Studie „Gesundheit auf einen Blick: Europa 2024“, die am Montag veröffentlicht worden ist.

Das vergleichende Zahlenwerk macht die spezifischen Stärken und Schwächen des deutschen Gesundheitssystems überdeutlich – dies gilt insbesondere für die Folgen der demografischen Alterung auch beim Gesundheitspersonal.

Hierzulande sind laut dem Report 43,6 Prozent der Ärztinnen und Ärzte über 55 Jahre alt. Das ist deutlich über dem Durchschnitt sowohl in der EU (35,5 Prozent), als auch in Nachbarländern wie Österreich (34,2 Prozent), Dänemark (28,0 Prozent) oder den Niederlanden mit 24,3 Prozent (siehe nachfolgende Grafik).

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Dichte bei ärztlichem Personal und Pflegekräften höher als im EU-Schnitt

Andere Länder setzen noch stärker als Deutschland auf im Ausland ausgebildete Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte. Zwischen 2019 und 2022 stieg die Zahl ausländischer Ärzte in der EU um 17 Prozent, bei Pflegekräften lag das Plus sogar bei 72 Prozent, heißt es im OECD-Bericht. Mehr als 40 Prozent des ärztlichen Personals in Norwegen, Irland und der Schweiz stammen mittlerweile aus dem Ausland.

Deutschland weist indes nach wie vor eine im EU-Vergleich hohe Dichte an Gesundheitskräften auf: Mit im Schnitt 4,5 Ärzte und zwölf Pflegekräften pro 1.000 Einwohner liegt Deutschland zehn Prozent bei Ärzten und 40 Prozent bei Pflegekräften über dem EU-Durchschnitt.

Allerdings verzeichnete Deutschland im Vorjahr eine unschöne Premiere: Erstmals liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt mit 81,2 Jahren unter dem EU-Schnitt (81,5 Jahren). Weil die Lebenserwartung hierzulande langsamer gestiegen ist als in vielen EU-Ländern, beträgt der Unterschied zu Spanien, Italien und der Schweiz mittlerweile 2,6 bis 3 Jahre bei der Lebenserwartung (siehe nachfolgende Grafik).

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Geringe Fortschritte bei Verringerung von Todesraten

Der geringe Fortschritt erkläre sich aus den bescheidenen Fortschritten bei der Verringerung von Todesraten bei bestimmten Erkrankungen. Den Zahlen zufolge sterben in den Niederlanden 2,9 Prozent der Herzinfarktpatienten binnen 30 Tagen nach der Einlieferung ins Krankenhaus. In Deutschland liegt dieser Wert bei 8,6 Prozent, der EU-Durchschnitt beträgt 7,2 Prozent (siehe nachfolgende Grafik).

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Ein erheblicher Teil Krankheitsbelastung im Alter – nicht nur mit Blick auf Herzinfarkt – kann verringert werden, wenn wichtige Risikofaktoren beachtet und vermieden werden. Auch hier fällt die Bilanz in Deutschland sehr gemischt aus.

Beispiel: Anteil der Raucher unter den 15-Jährigen im Jahr 2022. Hier liegt Deutschland mit 17 Prozent exakt auf dem Level des EU-Durchschnitts. Doch viele Länder, die mittlerweile im Ranking vorne liegen, konnten in den vergangenen Jahren den Anteil der Raucher in dieser Altersgruppe teils um bis zu zehn Prozentpunkte verringern. Der entsprechende Rückgang im Vergleich zu 2014 fällt hierzulande mit zwei Prozentpunkten mager aus. (siehe nachfolgende Grafik).

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HPV-Impfquoten unter dem Durchschnitt der EU

Ein weiteres Beispiel für die gleiche Altersgruppe: Der Anteil der 15-jährigen Mädchen, die alle empfohlenen Impfungen gegen HPV erhalten haben, reicht von 91 Prozent (Portugal) bis sieben Prozent (Bulgarien). Die Durchimpfungsrate in Deutschland beträgt 54 Prozent, der EU-Durchschnitt liegt um zehn Prozentpunkte höher – von Norwegen (93 Prozent), Spanien und Schweden (jeweils 85 Prozent) erst gar nicht zu reden (siehe nachfolgende Grafik).

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Die mitunter bescheidenen Outcomes in Deutschland stehen in starkem Kontrast zum hohen finanziellen Aufwand, der hierzulande für die Gesundheitsversorgung betrieben wird.

Mit 12,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gibt Deutschland deutlich mehr als die Schweiz (11,7 Prozent), die Niederlande (10,1 Prozent) oder Spanien (9,7 Prozent). Pro Einwohner sind es hierzulande mit 5317 Euro (2022), in absoluten Zahlen rund 50 Prozent mehr als im Schnitt der EU.

Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens im Notfall

Knapp überdurchschnittliche Werte verzeichnet Deutschland bei der Frage nach dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Gesundheitsversorgung beispielsweise im Falle eines Großunglücks mit vielen Verletzten. 54 Prozent der Deutschen sehen das Gesundheitssystem dafür gut gerüstet, 27 Prozent haben Zweifel daran.

Die höchsten Vertrauenswerte werden in Finnland (82 Prozent), den Niederlanden (68 Prozent) und in Dänemark (66 Prozent) registriert, das geringste Vertrauen haben die Menschen in Griechenland (33 Prozent).

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