Kommentar zur Debatte um die Corona-Imfpung

Die SPD verrennt sich ins „Impf-Chaos“

Die Genossen gehen Gesundheitsminister Spahn hart an, weil zu Beginn der Corona-Impfungen nicht genügend Vakzine für alle vorhanden sind. Eine Aktion mit womöglich fatalen Folgen.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:

Was genau mag die SPD eigentlich an dem Wort „Priorisierung“ nicht verstanden haben, wenn sie vor allem namentlich ihres Generalsekretärs Lars Klingbeil von „chaotischen Zuständen“ beim Start der Corona-Impfungen spricht? Es sei zu wenig Impfstoff bestellt worden, lautet da etwa ein Vorwurf, oder aber nicht genug vom Hersteller BioNTech, dessen Vakzin Comirnaty seit 27. Dezember als erstes in Deutschland verimpft wird.

Zurück zum Begriff der „Priorisierung“. Eine Abstufung nach dem Vorrangigkeitsprinzip ist damit gemeint, im Fall des Corona-Impfstoffs eine Gewichtung derjenigen Menschen, die das größte Risiko durch eine Infektion haben.

Und warum haben vor allem die Ständige Impfkommission (STIKO), aber auch der Ethikrat oder die Wissenschaftsakademie Leopoldina letztlich monatelang über die Priorisierungslisten beraten? Ja eben weil immer klar war, dass zu Beginn zu wenig Impfstoff vorhanden sein würde und genau deshalb abgestuft werden muss.

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Deutschland hat nicht zu wenig bestellt

Dabei ist der Vorwurf vermeintlich zu wenig bestellter Impfstoffe schlicht falsch. Fast 140 Millionen Impfdosen hat Deutschland allein bei den beiden Herstellern BioNTech und Moderna über das EU-Kontingent geordert, inklusive weiterer Hersteller wie AstraZeneca oder CureVac sind es sogar insgesamt mehr als 300 Millionen Impfdosen.

Zur Erinnerung: Deutschland hat rund 80 Millionen Einwohner. Abzüglich vermutlich nicht weniger Impfverweigerer.

Und selbstverständlich war es richtig, die Bestellungen auf mehrere Unternehmen zu verteilen: Weil erstens einer alleine nicht für ganz Deutschland liefern könnte und angesichts globaler Verantwortung nicht würde, und weil zweitens alles andere als eine Risikostreuung wegen der offenen Zulassung absolut fahrlässig gewesen wäre.

Natürlich gibt es am Impfstart manches zu kritisieren. Warum gibt es keine bundeseinheitliche Impfkampagne, warum kein bundeseinheitliches Einladungsverfahren? Warum sind die bisherigen Impfquoten je nach Bundesland so gravierend verschieden?

Debatte ist vorgezogener Wahlkampf

Dies sind aber Probleme, die unsere föderale Struktur betreffen – und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, auch die sozialdemokratischen, sind hierbei bekanntlich so uneins wie empfindlich.

Der Vorwurf der vermeintlich zu geringen Bestellmenge ist also sehr durschaubar. Natürlich kennen die Genossen alle genannten Zahlen, sie stellen mit Olaf Scholz doch den Vizekanzler in der Bundesregierung. Der Versuch, Opposition innerhalb der Regierung zu spielen, scheint allein den anhaltend schlechten Umfragewerten geschuldet.

Und der damit einhergehenden Verzweiflung: Schon im März stehen in drei Ländern Landtags- beziehungsweise Kommunalwahlen an, weitere Länder folgen im Jahresverlauf, im September gar die Bundestagswahl.

Mit düsteren Aussichten für die Sozialdemokraten. Aber mit wissentlich unrichtiger Kritik an der ihnen zudem bekannten Impfstoffbestellung punkten zu wollen, ist angesichts erheblicher Impfskepsis in der Bevölkerung unverantwortlich.

Schreiben Sie dem Autor: christoph.barkewitz@springer.com

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