Organspende
Die nächste Reform steht
Einigung am Freitag: Das Transplantationsgesetz wird geändert - zum wiederholten Mal seit den Skandalen. Manipulation wird künftig strafbar und die BÄK-Richtlinien kommen unter die Lupe.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Transplantationsgesetz (TPG) wird geändert. Auf einen entsprechenden Kompromiss haben sich die fünf Fraktionen im Bundestag am Freitag in Berlin geeinigt.
Kern der Änderung ist eine neue Strafvorschrift für Manipulationen an der Warteliste. Allerdings muss den Ärzten nachgewiesen werden, dass sie damit "Patienten bevorzugen" wollten.
Dieser Passus war zuvor von der Opposition mit Ausnahme der SPD-Fraktion kritisiert worden, weil ein solches Motiv in der Praxis nur schwer nachzuweisen sein wird. Als Teil der Kompromisslösung haben Grüne und Linke diese Regelung offenbar aber zähneknirschend akzeptiert.
Das Bundesgesundheitsministerium begründet die Formulierung nach Informationen der "Ärzte Zeitung" mit juristischen Argumenten. Details dazu soll das Bundesjustizministerium bei einer Anhörung am kommenden Mittwoch (12. Juni) im Gesundheitsausschuss erörtern.
Außerdem müssen künftig die BÄK-Richtlinien zur Organspende vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden. Eine zunächst geplante Pflicht zur Genehmigung wurde nun doch gestrichen.
Die Grünen können diese Änderung auf den letzten Metern als Punktsieg verbuchen. Denn sie hatten dem Vernehmen nach gegen die Regelung protestiert, wonach die Richtlinien hätten genehmigt werden müssen, wenn sie "den Vorschriften dieses Gesetzes (des TPG, Anm. d. Red.) und sonstigem Recht entsprechen".
"Beide Seiten haben Zugeständnisse machen müssen", sagte Grünenpolitiker Harald Terpe der "Ärzte Zeitung" mit Blick auf unterschiedlichen Vorstellung von einerseits der Koalition und der SPD und andererseits von Grünen und Linken. "Wir tragen das Verhandlungsergebnis mit."
Dennoch sieht der Obmann im Gesundheitsausschuss längst nicht aller Tage Abend beim Umbau des Transplantationssystems: "Es bleiben noch Baustellen bestehen, bei denen es keine Einigung gab."
Terpe: "Wir müssen weiter für mehr Transparenz und staatliche Kontrolle sorgen, um das Vertrauen in das System der Organspende wieder herzustellen."
Die Gesetzesänderung soll diese Woche in das Parlament eingebracht und dort einem laufenden Gesetzgebungsvorhaben angehängt werden. Offen war am Freitag zunächst, welches Gesetz den Änderungsantrag "huckepack" nehmen soll.
Welches Gesetz für das Omnibusverfahren?
Naheliegend wäre das Beitragsschuldengesetz, mit dem überschuldete Krankenversicherte entlastet und der Schuldzins gesenkt werden sollen.
Hierüber soll zwar Einvernehmen bestanden haben, allerdings wurden zwischenzeitlich Stimmen in der Koalition laut, das Präventionsgesetz zu verwenden. Doch gerade dieses Vorhaben könnte im Bundesrat wegen des Länderwiderstands kippen – und damit schließlich auch die TPG-Neuregelung.
Gleichzeitig wird in der nächsten Woche auch der gemeinsame Entschließungsantrag mit dem Titel "System der Organtransplantation in Deutschland nachhaltig stärken" in das Parlament eingebracht werden. Darin fordern alle fünf Fraktionen weitere Reformen im Transplantationswesen - unter anderem die Einrichtung eines nationalen Transplantationsregisters.
Er hat allerdings eher symbolischen Wert, da er in dieser Legislaturperiode nicht mehr in ein neues Gesetzgebungsvorhaben münden wird. In den vergangenen Wochen und Monaten hatten Vertreter von Koalition und SPD sowie Grünen und Linken um zahlreiche Formulierungen in dem Antrag gerungen.
Grüne und Linke hatten bereits zuvor zwei eigene Anträge eingebracht, in denen sie mehr staatliche Kontrolle in der Transplantationsmedizin fordern.
Auch diese Anträge sollen nun in der kommenden Woche bereits in die erste Lesung, wenngleich das nur symbolischen Charakter hat: Denn die beiden Anträge werden keine Mehrheit finden.
Am 24. Juni soll schließlich der Gesundheitsausschuss das gesamte Paket aus Gesetzesänderung, Entschließungsantrag und den oppositionellen Anträgen beraten, damit das Parlament am 27. Juni zumindest der Gesetzesänderung und der Entschließung seinen Segen geben kann. (nös)
Bericht vom Hauptstadtkongress
Auch beim Hauptstadtkongress am Freitag in Berlin war die Transplantationsmedizin eine Thema - im Rahmen einer Podiumsdiskussion. Die Datensätze der Deutschen Stiftung Organtransplantation und von Eurotransplant sollen noch in diesem Jahr zusammengeführt werden, hat DSO-Interimschef Dr. Rainer Hess dort angekündigt.
Dies ist für den Aufbau eines Transplantationsregisters Voraussetzung. Zudem arbeiteten der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) und die DSO gemeinsam an Qualitätskriterien, um zum Beispiel Manipulationen von Blutwerten im Vorfeld einer Organzuteilung zu erschweren, so Hess beim Hauptstadtkongress in Berlin.
BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery will sich nicht gegen den Zugriff des Staates auf die Richtlinien zur Transplantationsmedizin sträuben. "Wir haben nichts gegen den Genehmigungsvorbehalt", sagte er auf dem Podium. Sinnvoll sei er aber nicht, da das Ministerium ohnehin an der Erarbeitung der Richtlinien beteiligt sei. Sollte aber einmal ein Gesundheitsminister per Erlass in den Inhalt zum Beispiel von Hirntodkriterien eingreifen wollen, halte er dies für problematisch.
Ob jemals alle Fälle von Manipulationen wenigstens an den Transplantationszentren in Deutschland aufgeklärt werden können, scheint fraglich. Ausbildung und Evidenz in der Transplantationsmedizin kämen aus dem Ausland, sagte der designierte Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft, Professor Björn Nashan vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Wie sich das System austricksen lasse, hätten die Amerikaner erfunden, nicht die Deutschen.
Um überhaupt Transparenz herzustellen und Vertrauen zurückzugewinnen brauche das Šystem in Deutschland mit dem Transplantationsregister einen evidenzbasierten Rückhalt. Es gebe keine deutschen Daten. Schon beim Vergleich Dialyse versus Transplantation falle man in ein tiefes Loch. Es gebe 80.000 Dialysepatienten, aber null Daten.
Nashan (als Privatmann) rechnet damit, dass sich die Zahl der derzeit 47 Transplantationszentren in Deutschland binnen fünf Jahren halbieren wird. Dafür sorgten schon die neuen Anforderungen an Qualifizierung, Interdisziplinarität und die Transparenz durch ein Register. Wenn die Zusatzbezeichnung Transplantationsmedizin eingeführt werde, dünne sich das Feld weiter aus. Viele Zentren, die ja nur Ein- oder Zweimannbetriebe seien, würden aufhören, weil es sich nicht mehr lohne.
Dass nach Bekanntwerden der Skandale in Göttingen und Regensburg in der Politik und in den medizinischen Fachkreisen ein Umdenken eingesetzt habe, nahm die Journalistin Dr. Christina Berndt von der "Süddeutschen Zeitung" als einen Erfolg der Medien in Anspruch. Schließlich seien Manipulationen bei der Bundesärztekammer bereits lange vor ihrer Veröffentlichung in den Medien aktenkundig gewesen.
"Ich hätte die Aufarbeitung lieber ohne die Öffentlichkeit gehabt, wegen der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, die wir für die Organspende haben", entgegnete BÄK-Chef Montgomery, der Berndt persönlich zu der Veranstaltung nach Berlin eingeladen hatte. Das sei aber mit den internen Möglichkeiten der Kammer nicht gegangen. (af)
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Stein der Weisen gesucht