Umfrage des Marburger Bundes
Digitalisierung – Ärzte zwischen Hoffnung und Ernüchterung
Die Hoffnungen der Ärzte fliegen hoch, beim tatsächlichen Stand der Digitalisierung in den Krankenhäusern ist aber noch Luft nach oben. Der Marburger Bund fordert zehn Milliarden Euro für Informationstechnologie im Krankenhaus.
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Digitalisierung im Krankenhaus: An vielen Stellen gibt es einer neuen Umfrage des Marburger Bunds zufolge noch deutlich Nachholbedarf.
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BERLIN. Mehr Digitalisierung kann zumindest teilweise einen Zuwachs an medizinischer Qualität der ärztlichen Arbeit bedeuten. Davon zeigt sich eine Mehrheit der Krankenhausärzte überzeugt. Das geht aus den Ergebnissen einer aktuellen Umfrage unter 1800 angestellten Ärzten hervor, die der Marburger Bund am Donnerstag vorgestellt hat. Demnach zeigen sich 80 Prozent von einer durch die Digitalisierung ausgelösten Verbesserung der ärztlichen Arbeit im Krankenhaus überzeugt. Ebenfalls vier Fünftel der Befragten sieht zumindest teilweise eine Verbesserung der medizinischen Qualität heraufziehen.
Die Erwartungshaltung kontrastiert heftig mit der digitalen Wirklichkeit in den Krankenhäusern. So waren nur 19 Prozent der Ärzte mit der IT-Ausstattung an ihrem Arbeitsplatz zufrieden, 47 Prozent hingegen nicht. 92 Prozent der Befragten haben die Frage, ob ärztliche Anforderungen an Hard- und Software umfassend berücksichtigt werden, zumindest teilweise verneint. Auch benutzerfreundlich scheint die Klinik-IT nicht zu sein. Gerade elf Prozent kamen zu diesem Urteil.
Bei der technischen Unterstützung scheint ebenfalls etwas im Argen zu liegen. Drei Viertel (74 Prozent) fühlen sich zumindest teilweise von ihrer Klinik alleine gelassen, wenn sie IT-Probleme an ihrem Arbeitsplatz haben. Schulungen sind wohl ebenfalls ein Manko. 62 Prozent der Befragten kennen keine regelmäßigen Schulungen für IT-gestützte Arbeitsabläufe, weitere 27 Prozent nur teilweise. "Was nutzen den Ärzten die besten Programme, wenn sie sie nicht anwenden können?", fragte Dr. Peter Bobbert, Vorstandsmitglied des MB.
So waren nur 19 Prozent der Ärzte mit der IT-Ausstattung an ihrem Arbeitsplatz zufrieden, 47 Prozent hingegen nicht, heißt es in einer Pressemitteilung des MB. Knapp 90 Prozent der Befragten bemängelten zumindest teilweise fehlende Schulungen zur Bedienung von neuer Hard- und Software.
Auch digital unterstützte Visiten sind – anders als etwa Konsile – offenbar bislang eher die Ausnahme: 69 Prozent der befragten Ärzte verneinten die Frage, ob bei der Visite sämtliche benötigen Daten digital vorlägen. 11 Prozent antworteten darauf mit "ja" und 19 Prozent mit "teils/teils".
Viele befragte Ärzte machten ihrem Ärger Luft, dass Digitalisierung in den Klinikleitungen häufig nur zur Befriedigung von Kontrollzwängen eingesetzt werde. Ärzte müssen oft Daten sowohl digital als auch auf Papier vorhalten – aus Sicherheitsgründen.
"Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Digitalisierung im Krankenhaus vielfach noch in den Kinderschuhen steckt", sagte Bobbert. Um die IT-Strukturen der Krankenhäuser zukunftsfest zu machen, fordert der MB nun ein staatliches Sonderprogramm von zehn Milliarden Euro. "Wir wollen eine sinnvolle Digitalisierung", sagte Bobbert.
Im kommenden Jahr will der Marburger Bund eine Digitalisierungs-Checkliste aufsetzen. So solle sichergestellt werden, dass der Auf- und Ausbau digitaler Strukturen nach den Bedürfnissen von Ärzten, Pflegepersonal und Patienten ausgerichtet werde. Die digitale Revolution im Gesundheitswesen werde auch die Medizinerausbildung umwälzen, sagte Bobbert.
Dass im Gesundheitswesen nach wie vor Insellösungen vorherrschen, sehen die Verantwortlichen des Marburger Bundes mit Sorge. Schnittstellen auch zu den Praxissystemen der niedergelassenen Ärzten seien daher unabdingbar, erklärte Bobbert.
Der Ort, über gemeinsame Lösungen zu verhandeln, sei zunächst der Deutsche Ärztetag bekräftigte der Hauptgeschäftsführer des Marburger Bundes Armin Ehl. Das sei aber nicht genug. Die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten in dieser Frage müsse auch auf anderer Ebene institutionalisiert werden. Blaupause könne die Zusammenarbeit bei der Integration von ambulanter und stationärer Notfallversorgung sein, sagte Ehl.
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