vfa zum Patientendatenschutzgesetz
„E-Akte mit angezogener Handbremse“
Mit Einführung der E-Akte soll es möglich sein, der Forschung Gesundheitsdaten zur Verfügung zu stellen. Dafür gibt es Lob und Kritik.
Veröffentlicht:Berlin. Die Koalition plant, gesetzlich Versicherten zu ermöglichen, ihre Gesundheitsdaten der Forschung zur Verfügung zu stellen.
Voraussetzung für eine solche Datenspende ist die elektronische Patientenakte, mit deren Einführung die Verfügungshoheit über die Gesundheitsdaten vollständig auf die gesetzlich Versicherten übergehen soll.
Akte mit Handbremse
Die Datenfreigabe zu wissenschaftlichen Zwecken stößt in der Pharmaindustrie auf Zustimmung. Die wurde schon am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung des Unternehmens Astra Zeneca deutlich ausgesprochen.
Am Freitagvormittag nannte der Präsident des Verbands der forschenden Pharmahersteller (vfa), Han Steutel, die Pläne „stark“.
Steutel kritisierte, dass die Industrieforschung nicht direkt mit den Ergebnissen arbeiten könne. „Das wird die Qualität der Forschungsergebnisse nicht verbessern. So wird das eine elektronische Patientenakte mit angezogener Handbremse“, sagte Steutel.
Der Entwurf macht klar, dass die Pharmaunternehmen nicht direkt auf die gespendeten Daten zugreifen können sollen. Die Daten sollen zunächst an ein Forschungsdatenzentrum fließen, wo die Daten pseudonomisiert werden. Zudem können Versicherte ihr Einverständnis jederzeit widerrufen.
Als wichtigen Schritt nach vorn bezeichnete Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), den Entwurf. „In der freiwilligen Spende von Gesundheitsdaten bleibt der Gesetzesvorschlag leider hinter den Erwartungen der Industrie zurück“, sagte Plöger am Freitag der „Ärzte Zeitung“. Versicherte erhielten die Möglichkeit, Daten freiwillig der medizinischen wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung zu stellen – allerdings ohne die Industrie als eine zentrale Säule der Medizinforschung und somit des medizinischen Fortschritts zu beteiligen. Dabei sei der Zugang zu anonymisierten oder pseudonymisierten Gesundheits- und Behandlungsdaten der Schlüssel, um die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen, sagte Plöger.
Datengrundlage generieren
Im Gesetzentwurf heißt es weiter, die freiwillige Datenfreigabe zu wissenschaftlichen Forschungszwecken könne dazu beitragen, eine solide Datengrundlage für die wissenschaftliche Forschung zu generieren.
Ausdrücklich wird im Entwurf die Hoffnung geäußert, dass so „innovative Behandlungsansätze“ gefunden werden könnten, die der allgemeinen medizinischen Versorgung zugutekämen.
Darauf setzt der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, Dr. Jens Baas. „Wir erleben in der Medizin kaum noch Durchbruchsinnovationen in Form von neuen bahnbrechenden Arzneimitteln oder neuen Behandlungsmethoden“, sagte Baas am Freitagvormittag.
Das rücke neue Erkenntnisse durch bessere Datenauswertung und die Vernetzung von Informationen in den Mittelpunkt des Interesses. „Eine freiwillige Datenspende über die elektronische Patientenakte ist die Grundlage für den Fortschritt in der Medizin“, sagte Baas.
Warnung vor Löschrecht
Kritik an Teilen des Entwurfs musste der Gesundheitsminister von Gesundheitspolitikern der eigenen Fraktion einstecken.
Von einem „bürokratischen Rohrkrepierer“ sprach der Magdeburger Abgeordnete Tino Sorge (CDU) mit Blick auf die zahlreichen Einwilligungsverfahren, die Versicherte durchlaufen müssten, bis ihre Daten auf der Patientenakte gespeichert sind.
Sorge warnte vor dem Löschrecht, das den Versicherten eingeräumt werden soll. Am Ende könnten Ärzten wichtige Informationen fehlen, sagte Sorge dem „Handelsblatt“. (Mitarbeit: ger)