Anhörung im EU-Parlament
EMA-Chefin: Sputnik V wird kein schneller Corona-Heilsbringer
EMA-Chefin Cooke bremst im Gesundheitsausschuss des EU-Parlaments Hoffnungen, die Vakzin-Knappheit könnte sich rasch entspannen. Sie äußert sich auch zu der Causa AstraZeneca und nationalen Notzulassungen.
Veröffentlicht:Brüssel. Die Versorgung der EU-Mitgliedstaaten mit Corona-Impfstoffen bleibt vorerst knapp. Bei einer Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlamentes sagte die Direktorin der Europäischen Arzneimittelbehörde, Emer Cooke, am Dienstag, mit den Vakzinen des US-Herstellers Johnson & Johnson sei „nicht vor Ende April zu rechnen“.
Neben den nunmehr vier zugelassenen Impfstoffen prüfe ihre Behörde derzeit drei weitere Präparate: Neben dem russischen Sputnik V seien dies die Entwicklungen von CureVac und Novavax. Alle drei befänden sich im Rolling-Review-Verfahren. Im Falle des russischen Produktes werde die EMA in Kürze Experten zur Inspektion der Produktionsanlagen entsenden, weil diese – wie bei allen anderen Herstellern auch – den Kriterien der EU entsprechen und von der EMA zertifiziert werden müssen.
Außerdem sollen die Spezialisten Kliniken in Russland besuchen, in denen der Impfstoff bereits eingesetzt werde. Cooke machte keine Angaben darüber, wann mit einer EU-Zulassung für Sputnik V zu rechnen sei. Zuvor hatte der Chef des staatlichen russischen Direktinvestmentfonds RDIF, Kirill Dmitrijew, in einem Interview gesagt: „Wenn eine Zulassung kommt – voraussichtlich nach Juni – könnten wir innerhalb drei, vier Monaten etwa 100 Millionen Dosen für 50 Millionen Menschen in der EU liefern“. Er hoffe, dass die „Entscheidung über Sputnik V eine rein wissenschaftliche sein wird und keine politische“. Der vom Gamaleja-Forschungszentum entwickelte Impfstoff soll eine Wirksamkeit von 91 Prozent gegen das Coronavirus haben.
Nationale Notzulassungen möglich
Auf die Frage, wieso einzelne Mitgliedstaaten nicht zugelassene Impfstoffe bereits im Rahmen einer Notzulassung verwenden dürfen, zeigte Cooke die komplizierte europäische Rechtslage auf. Tatsächlich ist es den Regierungen erlaubt, auf nationaler Ebene eine Notfallzulassung zu erteilen. Sie stützen sich dabei auf eigene wissenschaftliche Erkenntnisse, die der EMA aber nicht zugänglich gemacht werden müssen. Cooke: „Wir bitten die Mitgliedstaaten, uns ihre Informationen zu übermitteln, weil wir sie gerne nutzen wollen.“ Eine europäische Notfallzulassung sei in dem Entwurf des Projekts „Hera Inkubator“ enthalten, das die EU-Kommission auf den Weg gebracht hat. Allerdings sei es noch nicht klar, ob diese schnelle Notfallzulassung auch von allen Mitgliedstaaten genehmigt werde.
Cooke ging bei der virtuellen Ausschusssitzung noch einmal ausführlich auf die Entscheidung der EMA ein, den Impfstoff von AstraZeneca trotz einiger Berichte über Gehirnthrombosen weiter zu genehmigen. „Wir sind uns bei der Prüfung eines speziellen Problems bewusst geworden“, sagte die EMA-Chefin.
Dabei habe sich herausgestellt, dass die Zahl der Thrombose-Erkrankungen, die in Zusammenhang mit dem Vakzin gebracht würden, niedriger sei als in der Gesamtbevölkerung. „Wir können einen Zusammenhang aber nicht definitiv ausschließen.“ Deshalb habe die EMA weitere Studien in Auftrag gegeben und sei auch mit den Institutionen in den Mitgliedstaaten im engen Kontakt, um Information zu sammeln. „Wir werden alle Erkenntnisse mit den Fachleuten und der Öffentlichkeit kommunizieren, auch um Ärzte und Pflegepersonal auf Symptome und Anzeichen vorzubereiten.“ Außerdem überprüfe die EMA derzeit die Frage, ob die Impfstoffe bei Rauchern und Schwangeren anders wirken könnten.
Verteilungsstreit entbrannt
Im Vorfeld des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag ist in der EU ein handfester Streit über die Verteilung der Vakzine ausgebrochen. Auslöser waren Äußerungen des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, der Abweichungen von den ursprünglichen Planungen der Kontingente für die Mitgliedstaaten kritisiert hatte. Der deutsche Europa-Staatssekretär Michael Roth (SPD) sagte dazu am Dienstag: „Ich kann mich über die Debatte nur wundern.“ Es gebe ein „sehr transparentes Verfahren“.