Richtlinien-Entwurf

EU will weniger Antibiotika in der Tierzucht

Das Europäische Parlament will Reserveantibiotika in der Tierzucht europaweit verbieten lassen. So soll das immer größer werdende Problem der Antibiotika-Resistenzen eingedämmt werden.

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BERLIN. Das Europäische Parlament plant, den Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht einzuschränken. Der Europaabgeordnete Dr. Peter Liese (CDU) kündigte am Dienstag in Berlin an, dass eine entsprechende Richtlinie Ende 2015 vorliegen soll.

Ziel sei es, Reserveantibiotika, die beim Menschen eingesetzt werden, wenn herkömmliche Antibiotika versagen, in der Tierzucht ganz zu verbieten oder nur in speziellen Fällen zu erlauben.

Auch sollen die Anreize erhöht werden, neue Antibiotika für Tiere zu entwickeln. "Wir wollen die Marktexklusivität, die vor billigeren Nachahmerprodukten schützt, von zehn auf mindestens 14 Jahre erhöhen", sagte Liese.

Zehn-Punkte-Plan von Gröhe

Erst am Montag hatte Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, um Krankenhauskeime und Antibiotika-Resistenzen besser zu bekämpfen.

Liese lobte den darin enthaltenen "One-Health-Gedanke", der die Gesundheit von Mensch und Tier miteinander verknüpfe und das Thema weiter fasse.

Zwar seien Hygienemängel und der nicht sachgerechte Umgang mit Antibiotika in der Humanmedizin die zentralen Ursachen für die rund 600.000 Infektionen und 15.000 Todesfällen pro Jahr.

Maßnahmen in der Veterinärmedizin könntenjedoch dazu beitragen, die Gesundheit in der Bevölkerung besser zu schützen. Beschäftigte in der Landwirtschaft zählten zu den besonders gefährdeten Gruppen und seien häufig Träger multiresistenter Erreger.

In der Schweine- und Geflügelmast werden zudem nach wie vor große Mengen an Antibiotika verabreicht. "Die dadurch entstehenden Resistenzen können sich auch auf den Menschen übertragen", sagte Liese.

Der CDU-Politiker plädierte auch dafür, Patienten besser aufzuklären und Ärzte in ihrer Verordnungspraxis zu unterstützen. Patienten würden sich oftmals nicht an die ärztliche Verordnung halten und die Antibiotika frühzeitig absetzen.

Damit aber riskierten sie, dass sich Antibiotika-Resistenzen entwickeln. Eine "Fakten-Box" auf dem Beipackzettel sollte im Großdruck die Patienten ermahnen, die Antibiotika so lange wie verschrieben einzunehmen.

Dringend benötigt werde auch ein Schnelltest, mit dem sich in der Arztpraxis abklären lasse, ob ein Antibiotikum helfe. (wer)

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Kommentare
Anne C. Leber 08.04.201511:28 Uhr

Leserzuschrift von Katja Mecklenburg

In Ihrem Artikel – wie auch in vielen weiteren Artikeln zum Thema Antibiotika-Resistenzen derzeit – wird die Dramatik der Situation dargestellt. Natürlich ist ein wesentlicher Fakt der Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht.

Als letzten Satz schreiben Sie: „Dringend benötigt werde auch ein Schnelltest, mit dem sich in der Arztpraxis abklären lasse, ob ein Antibiotikum helfe“. Genau so einen Schnelltest bieten wir in Deutschland an. Er misst den Entzündungsmarker CRP quantitativ mittels eines Tropfen Blutes aus der Fingerkuppe innerhalb von 2 Minuten in Laborqualität. Der CRP steigt massiv an, wenn eine Infektion bakteriell bedingt ist. Die meisten – insbesondere die Infekte der oberen Atemwege – sind aber viral ausgelöst. Antibiotika helfen nur bei bakteriellen Infekten.

Der Test wird nur selten durchgeführt, da er bislang nicht durch den EBM abgedeckt wird. Das bedeutet, der Arzt müsste entweder IGeLn oder aus eigener Tasche draufzahlen.

Katja Mecklenburg
Product Manager
Orion Diagnostica Oy

Dr. Thomas Georg Schätzler 25.03.201513:44 Uhr

Im Deutschen Ärzteblatt gab Dr. med. Peter Liese irreführende Statements ab

Von einem Mediziner-Kollegen Dr. med. Peter Liese, Arzt aus dem Sauerland und MdEUP, würde ich m e h r Differenziertheit und Sachverstand bei der Diskussion zum Thema „Antibiotika-Resistenzen sind eine extrem große Bedrohung“ erwarten.
Vgl.
http://www.aerzteblatt.de/archiv/157489/Das-Gespraech-mit-Dr-med-Peter-Liese-gesundheitspolitischer-Sprecher-der-EVP-Fraktion-im-Europaeischen-Parlament-In-der-EU-loesen-wir-Alltagsprobleme

Denn von einer "Post-Antibiotika-Ära" kann gar keine Rede sein. Im "human- als auch im veterinärmedizinischen Bereich" mit einer „One Health“-Strategie herumdoktern zu wollen, ist schlichtes Herumstochern in Symptomen und keine intelligente, kurative Strategie: Viel zu disparat und divergent sind die Antibiotika-Interessenlagen bei Mensch und Tier.

Während in der Zucht- und Massentierhaltung, in Fisch-Aufzuchtanlagen und der gesamten Fleisch- und Fischverarbeitung Antibiotika teilweise o h n e veterinärmedizinische Einzelverordnung und/oder über Futtermittel flächendeckend und unkontrolliert verabreicht werden, gibt es in Klinik und Praxis, wie dem Kollegen Peter Liese wohl bekannt ist, nur individuelle und gezielte Einzelverordnungen von Antibiotika nach angemessener Untersuchung und Beratung.

So werden allein in Deutschland nach offiziellen Angaben 1.700 Tonnen Antibiotika pro Jahr veterinärmedizinisch verordnet. In der Humanmedizin dagegen maximal 700 Tonnen. Dies allein soll die Position des Kollegen P. Liese begründen "Denn es gibt einen eindeutigen Bezug zwischen dem Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht und Antibiotika-Resistenzen beim Menschen"? Doch allein die veterinärmedizinische Haltung ist europaweit zu lasch!

Ein modernes Märchen sind auch die Aussagen: "In den letzten 25 Jahren sind praktisch keine neuen Antibiotikawirkstoffe auf den Markt gekommen. Das ist ein großes Problem. Ein Grund dafür ist, dass die Hersteller mit neuen Antibiotika nicht viel Geld verdienen können, weil sie als Mittel der letzten Wahl gelten werden: Nur, wenn alle anderen Antibiotika nicht wirken, wird man sie einsetzen." Abgesehen davon, dass es eine Reihe von Neu- und Weiterentwicklungen der Antibiotika gibt, wird mit dem Bestandsmarkt in der Pharmaindustrie immer noch sehr gut verdient.

Wie peinlich, wenn Kollege P. Liese sich dann zum Chef-Lobbyisten einer ''notleidenden'' Pharmaindustrie machen will: "Man muss den Herstellern also finanzielle Anreize bieten, damit sie neue Wirkstoffe entwickeln" ist bei der bereits vorhandenen europaweiten Förderung der universitären und gesundheitsamtlichen infektiologischen Grundlagenforschung eine Verkennung der globalisierten Forschungs-, Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien.

Praxis- und Medizin-bildungsfern zu behaupten: "Bevor Antibiotika verordnet werden, müssten Ärzte bei jedem Patienten eigentlich mit Hilfe eines Abstriches bestimmen, ob er überhaupt einen bakteriellen Erreger in sich trägt. Im Labor würde es heute einige Stunden dauern, den Erreger zu bestimmen, verkennt die Realität. Erreger u n d Resistenzbestimmungen dauern immer noch einige Tage. Dieses Abwarten ist bei akuten Krankheitsbildern u. U. ein medizinisch-haftungsrechtliches Problem und nicht immer ''lege artis''. Auch BB, BSG, CRP und Pro-Calcitonin-Bestimmungen führen nicht immer zu Antibiotikaverordnungs-leitenden Befunden.

Die Aussage: "Die Situation ist leider sehr ernst. Das Europäische Institut für Seuchenbe¬kämpfung hat ermittelt, dass jedes Jahr 25.000 EU-Bürger an multiresistenten Keimen sterben. Wahrscheinlich sind es sogar mehr", kann so nicht stehenbleiben bzw. bedarf einer Erläuterung. In der EU leben etwa 500 Millionen Menschen. Gesamt-Europa hat auf einer Fläche von 10.180.000 km² eine Bevölkerungszahl von 742,5 Millionen (Stand 2013) Menschen. Wenn allein für Deutschland mit 81 Millionen Einwohnern bis zu 15.000 Tote durch Krankenhausinfektionen mit multiresistenten Keimen geschä

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