DAK-Psychoreport
Enormer Anstieg der Fehltage wegen psychischer Leiden
Die Zahl der Tage, an denen berufstätige DAK-Versicherte wegen Depressionen oder anderer psychischer Erkrankungen nicht zur Arbeit gehen konnten, hat sich binnen 20 Jahren verdreifacht.
Veröffentlicht:
Psychische Leiden sorgen für immer mehr Fehltage, die die DAK-Gesundheit berichtet.
© WavebreakmediaMicro / stock.adobe.com
HAMBURG. Innerhalb von 20 Jahren hat sich die Zahl der Fehltage wegen Depressionen oder Anpassungsstörungen fast verdreifacht. Das geht aus dem DAK-Psychoreport hervor, den die Krankenkasse am Donnerstag veröffentlicht hat.
Der Report ist eine Langzeit-Analyse, für die das IGES-Institut Daten von etwa 2,5 Millionen erwerbstätigen Versicherten ausgewertet hat.
Mit 250 Fehltagen pro 100 Versicherten wurde im Jahr 2017 der Höchststand bei den Krankschreibungen wegen psychischer Leiden erreicht. Im Folgejahr sanken die Zahlen um 5,6 Prozent auf 236 Fehltage. 1997 wurden pro 100 Versicherten 77 Fehltage registriert, zehn Jahre später waren es 130 Tage (siehe nachfolgende Grafik).
Offenerer Umgang
Depressionen und Anpassungsstörungen waren die häufigsten Ursachen für Krankschreibungen bei den psychischen Leiden. Im vergangenen Jahr waren 93 Fehltage pro 100 Versicherten auf Depressionen zurückzuführen, 51 auf Anpassungsstörungen.
Bei letzteren hat sich die Zahl der Fehltage seit Beginn des Jahrtausends verdreifacht (siehe nachfolgende Grafik).
DAK Vorstandschef Andreas Storm führt diese Entwicklung vor allem auf einen offeneren Umgang mit psychischen Erkrankungen zurück. Denn aus wissenschaftlicher Sicht seien diese seit Jahrzehnten in der Bevölkerung nahezu gleich verbreitet, so Storm.
„Vor allem beim Arzt-Patienten-Gespräch sind diese heute kein Tabu mehr“, sagt der DAK-Chef. In Betrieben sehe das aber noch ganz anders aus.
Deshalb fordert er: „Auch Arbeitgeber müssen psychische Belastungen und Probleme aus der Tabuzone holen und ihren Mitarbeitern Hilfe anbieten.“
Gesundheitswesen stark betroffen
Die Zahl der Fehltage wegen Burnout ist zwischen 2012 und 2016 kontinuierlich gesunken. Wurden im Jahr 2012 noch zehn AU-Tage wegen Burnout registriert, sank die Zahl bis 2016 auf 4,3, im vergangenen Jahr war es allerdings schon wieder ein Tag mehr.
Besonders häufig mit neun Fehltagen pro 100 Versicherten fehlten Arbeitnehmer, die 60 Jahre und älter waren. Frauen fehlen doppelt so oft wegen psychischer Erkrankungen wie Männer. Im vergangenen Jahr wurden pro 100 weiblicher Versicherter 298 Fehltage registriert, bei Männern waren es 183.
Besonders gefährdet für psychische Leiden sind Arbeitnehmer in der Öffentlichen Verwaltung und im Gesundheitswesen (siehe nachfolgende Grafik). So kamen Verwaltungsmitarbeiter 2018 auf 358 Fehltage, Mitarbeiter im Gesundheitswesen auf 321. Der Durchschnitt aller Branchen lag bei 236 AU-Tagen.
Große regionale Unterschiede
Auffällig sind auch die großen regionalen Unterschiede bei den Krankschreibungen. So kamen die Saarländer 2018 auf 312 Fehltagewegen psychischer Belastungen, die Bremer auf 281 und die Berliner auf 279.
Deutlich seltener mit 193 Tagen waren dagegen die Bayern wegen psychischer Störungen krank geschrieben. Die Baden-Württemberger kommen auf 214 Krankheitstage (siehe nachfolgende Grafik).
Laut DAK gibt es traditionell ein großes Gefälle beim Krankenstand zwischen den Bundesländern. Warum das Saarland bei psychischen Erkrankungen oft auffällig weit vorne ist, könne man nicht genau sagen, hieß es auf Anfrage der „Ärzte Zeitung.
„Ein Grund könnte die psychotherapeutische Versorgungslage im Saarland sein und die entsprechend kürzeren Wege zu diesen“, heißt es bei der DAK. Bei größeren Versorgungsmöglichkeiten würden diese auch eher in Anspruch genommen.
Für die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, sind die Zahlen ein Grund, unsere Arbeits-und Lebensweise zu hinterfragen. „Psychische Belastungen am Arbeitsplatz können nicht losgelöst von der Arbeitszeit und anderen Rahmenbedingungen gesehen werden“, kommentiert Klein-Schmeink den Psychoreport.
Seit geraumer Zeit wiesen Arbeitswissenschaftler auf einen Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten, psychischer Belastung und gesundheitlichen Beschwerden hin. Hier seien Arbeitgeber gefragt, auch im eigenen Interesse.
Nicht hinnehmbar seien aber auch übliche Wartezeiten von über drei Monaten für ein Erstgespräch beim Therapeuten. Die Politik sei gefragt, Versorgungsstrukturen aufzubauen, die eine flexible und schnelle Behandlung ermöglichten.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Hoher Psychotherapie-Bedarf