Orientierungsdebatte
„Ernsthaft und würdevoll!“ Bundestag diskutiert Sterbehilfe
Der Bundestag hat am Mittwoch über die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Reform der Sterbehilfe diskutiert. Ohne Schaum vor dem Mund gingen die Abgeordneten respektvoll mit dem Thema um.
Veröffentlicht:Berlin. In einer von gegenseitigem Respekt geprägten Debatte haben die Abgeordneten des Bundestages am späten Mittwochnachmittag über eine Neuregelung der Sterbehilfe diskutiert. „Ernsthaft, würdevoll und quer zu parteipolitischen Grenzen“, beschrieb der SPD-Abgeordnete Helge Lindh den Austausch der Argumente.
Quer durch alle Fraktionen herrschte weitgehende Einigkeit darüber, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom Februar vergangenen Jahres die Selbstbestimmung des Menschen gestärkt und dem Parlament damit die Aufgabe gestellt habe, Räume für den assistierten Suizid zu schaffen.
Dazu zähle auch, wieder Rechtssicherheit für Ärzte herzustellen. Unterschiedliche Auffassungen gab es in der Debatte dazu, ob es ein erneutes strafrechtliches Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe geben müsse.
Todeswünsche meist ambivalent
Die Rednerinnen und Redner betonten aber, dass die Aufgabe des Gesetzgebers nun auch sei, hohe Hürden aufzustellen. Der assistierte Suizid dürfe keine Normalität werden, sagte die Ärztin Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen). Viele der 40 Rednerinnen und Redner mahnten an, dass alte und gebrechliche Menschen auf gar keinen Fall unter Druck geraten dürften, sich ihr Leben nehmen zu müssen.
Mehrere Beiträge beschäftigten sich damit, dass Todeswünsche meist „ambivalent und von kurzer Dauer“ seien. Hilfs- und Beratungsangebote für Sterbewillige sowie Hospiz- und Palliativversorgung müssten daher massiv ausgebaut werden.
Der Zahnarzt Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) forderte, es Ärzten nicht zu verbieten, Patienten diesen letzten Dienst zu erweisen. „Der Staat greift schon oft genug in das Arzt-Patienten-Verhältnis ein“, sagte Schinnenburg.
Spahn: „Ethisches Dilemma“
In seiner Eigenschaft als Abgeordneter sprach Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) von einem „großen ethischen Dilemma“, vor dem der Bundestag stehe.
Der assistierte Suizid solle eine individuelle Entscheidung zwischen Arzt und Patient in ihrem besonderen Vertrauensverhältnis bleiben, sagte Spahn. Er sehe aber keine Verpflichtung des Staates, die tödlichen Medikamente zur Verfügung zu stellen.
Drei fraktionsübergreifende Gesetzesinitiativen zur Neuregelung der Sterbehilfe liegen aktuell vor. Unklar ist bislang, ob noch in dieser Legislaturperiode eine Entscheidung herbeigeführt werden kann. (af)