Bei einvernehmlichem Sex

Ethikrat gegen Inzestverbot bei Erwachsenen

Als Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung wertet der Deutsche Ethikrat das Inzestverbot bei erwachsenen Geschwistern, die einvernehmlich Geschlechtsverkehr haben. Er empfiehlt, das strafrechtliche Verbot zu reformieren.

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Zwei Paar Füße. Mit einer umstrittenen Form der Geschwisterliebe hat sich der Ethikrat auseinandergesetzt.

Zwei Paar Füße. Mit einer umstrittenen Form der Geschwisterliebe hat sich der Ethikrat auseinandergesetzt.

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BERLIN. Der Deutsche Ethikrat empfiehlt mehrheitlich dem Gesetzgeber eine Reform des Inzestverbots.

Der einvernehmliche Beischlaf zwischen erwachsenen Geschwistern ist in Deutschland nach Paragraf 173 Strafgesetzbuch (StGB) bisher strafbewehrt. Eine Mehrheit von 14 Ratsmitgliedern gibt zu bedenken, dass dieses strafrechtliche Verbot einen "tiefen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung" bedeutet.

Im Falle einvernehmlichen Beischlafs unter Geschwistern könne "weder die Befürchtung negativer Folgen für die Familie noch die Möglichkeit der Geburt von Kindern aus solchen Inzestbeziehungen ein strafrechtliches Verbot dieser Beziehungen rechtfertigen", heißt es in der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Stellungnahme.

Die Ratsmehrheit begründet ihre Empfehlung damit, das Strafrecht dürfe nicht "zum Schutz bloß symbolischer Abstrakta wie der rein rechtlichen Verfasstheit der Familie in ihrer inneren Rollenstruktur eingesetzt werden".

Das Strafrecht habe nicht die Aufgabe, "für den Geschlechtsverkehr mündiger Bürger moralische Standards oder Grenzen durchzusetzen", so die Ratsmitglieder.

"Irritierendes Signal"

Von dieser Empfehlung unberührt und ethisch völlig anders zu werten seien Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den Paragrafen 174 ff StGB. Dazu gehöre insbesondere der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung oder auch Inzesthandlungen von Eltern an ihren minderjährigen leiblichen oder angenommenen Kindern.

Eine Minderheit von neun Sachverständigen wertet mögliche Einschränkungen oder gar die Abschaffung des Inzestverbots im Falle des einvernehmlichen Beischlafs unter erwachsenen Geschwistern als ein "irritierendes Signal".

Zentrales Schutzgut im Paragraf 173 StGB ist nach Ansicht der Ratsminderheit "die Familie in ihrer elementaren Sozialisationsfunktion".

Denn die Unvereinbarkeit unterschiedlicher familialer Rollen sei eine wichtige Voraussetzung für eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung. Eine zentrale Aufgabe von Familie sei es, "eine Lebensform für verlässliche Beziehungen zwischen Generationen und Geschlechtern zu konstituieren und zu gestalten".

"Im allgemeinen Bewusstsein halten"

Dem Recht könne die Aufgabe zugewiesen werden, die Bedeutung dieser Normen "im allgemeinen Bewusstsein zu halten". Zudem habe das Inzestverbot auch eine "ergänzende Schutzfunktion zugunsten der sexuellen Selbstbestimmung". Studien zum Geschwisterinzest legten nahe, dass die "Brüder nicht selten erheblich älter als die Schwestern sind, was die Gefahr ‚fremdbestimmter‘ Prägung des formal einvernehmlichen Inzestverhaltens erhöht".

Anstoß für die Beschäftigung des Ethikrats mit dem Thema ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im April 2012 gewesen. Das Gericht wies damals die Beschwerde eines in Deutschland wegen Inzests verurteilten Mannes gegen das Bundesverfassungsgericht zurück. Die Karlsruher Richter hatten im Jahr 2008 den Paragrafen 173 StGB für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. (fst)

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