Auslandsbehandlung

EuGH-Gutachter stellt Erstattung infrage

Lassen sich EU-Bürger im Ausland behandeln, weil dies in der Heimat nicht möglich ist, müssen die Kassen zahlen. Jetzte könnte diese Regel aufgeweicht werden.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:

LUXEMBURG. Mit einem Kompromissvorschlag im Streit um die Auslandsbehandlung von Bürgern der ärmeren osteuropäischen EU-Staaten will der gerichtliche Rechtsgutachter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg, Pedro Cruz Villalón, die Sozialkassen der Herkunftsländer schützen.

Sie sollen Auslandsbehandlungen nur bezahlen, wenn die Versorgung im Inland wegen eines "punktuellen Mangels" nicht möglich ist. Dagegen sollen sie nicht für Kosten aufkommen müssen, wenn dies die sozialen Sicherungssysteme des Herkunftslandes schlicht überfordern würde.

Seit dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur EU 2007 versuchen Patienten insbesondere aus Rumänien, den teils prekären medizinischen Verhältnissen in ihrer Heimat durch eine Behandlung in Deutschland zu entkommen.

Nach den Schlussanträgen des EuGH-Generalanwalts Cruz Villalón sollten sich Krankenhäuser in Deutschland auf eine zurückhaltende Kostenerstattung durch die Herkunftsländer einrichten.

Sein abschließendes Urteil wird der EuGH erst in einigen Monaten verkünden. Die Schlussanträge sind dabei nicht bindend, der EuGH folgt ihnen aber meistens.

Die klagende Rumänin war wegen einer schweren Erkrankung ihrer Herzgefäße bereits 2007 erfolglos operiert worden. 2009 wurde sie erneut in eine Herzklinik in Temeswar (Rumänien) eingeliefert. Nach Ansicht der dortigen Ärzte war eine Operation notwendig, um die Mitralklappe auszutauschen und zwei Stents einzusetzen.

Die Patientin traute dies der Klinik vor Ort nicht zu. Es fehle dort selbst an grundlegendem Material wie Schmerzmitteln, medizinischem Alkohol und sterilen Verbänden. Mit drei Patienten pro Bett sei das Krankenhaus erheblich überbelegt. Eine Behandlung im Ausland lehnte die Krankenkasse aber ab.

Die Patientin entschied sich dennoch für eine Operation in Deutschland und verlangt nun von ihrer Kasse die Erstattung der hiesigen Behandlungskosten in Höhe von 17.715 Euro. Das rumänische Gericht in Sibiu legte den Streit dem EuGH vor.

Nach bisheriger EuGH-Rechtsprechung können sich EU-Bürger in einem anderen Staat behandeln lassen, wenn eine in ihrem Heimatland eigentlich gewährte Behandlung dort nicht rechtzeitig möglich ist. Nun hat das oberste EU-Gericht erstmals zu entscheiden, wie es bei gänzlich fehlenden Mitteln aussieht.

Nach Überzeugung Villalóns müssen die osteuropäischen EU-Staaten keine Kosten stemmen, die sie letztlich nicht tragen können. Bezahlen sollen sie nur, wenn es um einen "punktuellen und vorübergehenden Mangel" geht, nicht aber, wenn der Mangel an medizinischen Mitteln "einem strukturellen Mangel entspricht".

Hier käme eine Pflicht zur Kostenübernahme nach Ansicht des Generalanwalts nur dann in Betracht, wenn dies die Funktionsfähigkeit des Leistungssystems des Herkunftslandes nicht in Frage stellen würde - wohl nur bei besonders seltenen Krankheiten.

Müssten die Länder "die finanzielle Belastung einer massiven Gesundheitsmigration" tragen, dann würde dies die für den Gesundheitssektor verfügbaren Mittel verschlingen, und die Versorgung in dem jeweiligen Herkunftsland würde noch mehr leiden, argumentiert Cruz Villalón.Nach diesen Maßgaben sollen im konkreten Fall wieder die rumänischen Gerichte entscheiden.

EuGH-Schlussanträge vom 19. Juni 2014, Az.: C-268/13

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