Infektionsschutzgesetz
FDP will Corona-Notbremse juristisch blockieren
Unverhältnismäßig und formal höchstbedenklich: Die Liberalen legen Verfassungsbeschwerde gegen die Corona-Notbremse des Bundes ein.
Veröffentlicht:Berlin. Die Liberalen haben Verfassungsbeschwerde gegen die seit Samstag geltende Corona-Notbremse des Bundes eingelegt. Es gehe um die „Verteidigung von Bürgerrechten“, begründete der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Marco Buschmann, den Schritt am Dienstag in Berlin.
Im Zentrum der Beschwerde stünden die Ausgangssperren und die weiterhin geltenden Kontaktbeschränkungen für geimpfte Menschen, sagte Buschmann. Ausgangssperren seien ein „tiefer Grundrechtseingriff“. Wer seine Wohnung nicht verlassen dürfe, sei „ein Stück weit unfrei“.
Reine Inzidenzorientierung fragwürdig
Überdies seien Ausgangssperren keine wirksame Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie. Studien belegten das. Die Maßnahme sei unverhältnismäßig und verfassungswidrig – „insbesondere in Verbindung mit der nackten Inzidenzorientierung“. Der Inzidenzwert 100, ab dem Ausgangssperren greifen, sei ein schwankender Wert, so Buschmann. Es lasse sich daran nicht ablesen, ob es sich um einen Clusterausbruch oder ein diffuses Ausbruchsgeschehen handele. Viele Gerichte hätten diese Unterscheidung bereits anwendet, um Maßnahmen abzuschmettern. Um eine rasche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen, habe man Antrag auf Eilrechtsschutz gestellt, erläuterte Buschmann.
„Wir haben es hier mit einem Gesetz zu tun, das im Duktus einer Polizeiverordnung selbst kleinteiligste Details über das regelt, was alles verboten ist“, sagte der Prozessbevollmächtigte für die FDP-Beschwerde, Professor Thorsten Kingreen. Über die Freiheit von Menschen, die etwa aufgrund einer Impfung nicht mehr über das normale Maß hinaus gefährlich oder gefährdet seien, verliere das Gesetz dagegen „kein Wort – und das macht es verfassungswidrig“.
Föderalismus als „Störfaktor“ der Pandemiebekämpfung?
Zudem hätte der Bundesrat dem Gesetz zustimmen müssen, sagte Kingreen. So entschieden die Länder wegen der „Bundesnotbremse“ zwar nicht mehr über Kita- und Schulschließungen. Dafür müssten sie aber für den Verdienstausfall von Erwerbstätigen aufkommen. Das Gesetz erwecke den „fatalen Eindruck“, der Föderalismus sei „Störfaktor bei der Pandemiebekämpfung“, so der Jurist.
Mit der „Bundesnotbremse“ greifen einheitliche Regelungen wie Ausgangssperren, sobald die Sieben-Tages-Inzidenz an drei Tagen hintereinander den Wert 100 überspringt. Ab einer Inzidenz von 165 müssen Kitas und Schulen dichtmachen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte erklärt, die Maßnahmen seien „hart“. Anders lasse sich die dritte Welle der Corona-Pandemie aber nicht brechen.
Beim Bundesverfassungsgericht sind inzwischen mehr als 65 Verfahren gegen das geänderte Infektionsschutzgesetz anhängig.