Reaktion auf neue Corona-Regeln

Fachleute kritisieren Politik für Angstmacherei in der Corona-Krise

Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt und weitere Gesundheitsexperten warnen vor zuviel Drohkulisse in der Corona-Debatte.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Versetzen die permanenten Corona-Meldungen manche Menschen in Panik?

Versetzen die permanenten Corona-Meldungen manche Menschen in Panik? Diese Befürchtung hat nicht nur der Bundesärztekammerpräsident.

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Berlin. Keine Entwarnung, aber auch keine Angstmacherei. Auf diesen Nenner lassen sich aktuelle Reaktionen von Fachleuten aus dem Gesundheitswesen auf Aussagen von Bundeskanzlerin Merkel und die am vergangenen Mittwoch von Bund und Ländern beschlossenen Corona-Regeln bringen. „Man darf keine Entwarnung geben“, sagte Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt am Montagmorgen im Deutschlandfunk (Dlf). Man dürfe den Menschen aber auch nicht in einer Tour Angst machen. Er befürchte ansonsten einen Abstumpfungsprozess in der Bevölkerung.

Die von der Kanzlerin und den Länder-Chefs aufgebaute „Drohkulisse“ führe eher zur Ermüdung der Menschen im Land denn zu einer Verbesserung der Wirksamkeit der vorgeschlagenen und sogar angeordneten Maßnahmen, heißt es auch in einem Papier von Experten, zu denen die ehemaligen Gesundheitsweisen Professor Matthias Schrappe und Professor Gerd Glaeske sowie der Kassenverbands-Chef Franz Knieps zählen.

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Merkel hatte in ihrem Podcast die Bevölkerung dazu aufgefordert, private Kontakte so weit wie möglich einzuschränken, auf private Reisen und Feiern zu verzichten. Ganz so ernst wie die Kanzlerin sehe er die Lage nicht, sagte Reinhardt im Dlf. Mit steigenden Infektionszahlen sei zu rechnen gewesen.

„Ich glaube, dass diese Vorstellung, dass man dieses Virus ganz vertreiben kann, eine irrige ist. Wir müssen lernen, mit einer Zunahme der Infektionszahlen umzugehen und zu leben“, sagte Reinhardt. Die Intensivkapazitäten des Gesundheitswesens wiesen noch einen großen Überhang auf.

Krisen-Steuerung in der Kritik

Die Gesundheits- und Pflegeexperten vermissen im Regierungshandeln ein „modernes und Zielgruppen-orientiertes Präventionskonzept“. Allein auf allgemeine Präventionsmaßnahmen und unverhohlene Drohungen mit Kontrollen zu setzen, sei eine „folgenschwere Fehlentscheidung“, die zwangsläufig immer schärfere Einschränkungen des Alltagslebens bis zum Lockdown nach sich ziehen müssten. Den von Bund und Ländern beschlossenen „Schutz vulnerabler Gruppen“ im Gesundheits- und Pflegewesen bezeichnen sie als Nebenaspekt, der im Bedrohungsszenario untergehe.

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Die Steuerung der Alltagsbeschränkungen durch Grenzwerte sehen die Experten, darunter auch die ehemalige Pflegedienstleiterin der Charité Hedwig Francois-Kettner, der Arzt für Öffentliches Gesundheitswesen Dr. Matthias Gruhl sowie die Universitätsprofessoren Dieter Hart, Bremen, Philipp Manow, Bremen, Holger Pfaff, Köln, und Klaus Püschel, Hamburg, kritisch.

„COVID-19-Dunkelziffer“ ausgeblendet?

Es gebe keine Daten, die aussagten, dass mit einem Grenzwert von x/100.000 Einwohnern ein positiver Verlauf der Epidemie verbunden sei, heißt es in dem Papier. Diese Werte würden aus den Ergebnissen der PCR-Tests und sonstiger positiver Befunde hochgerechnet. Auch wenn in einer Woche eine Million Menschen in Deutschland getestet würden, blieben rund 82 Millionen ungetestet.

Man müsse daher davon ausgehen, dass die Zahl der tatsächlichen Neuinfektionen von der „Dunkelziffer“ bestimmt werde. Deshalb seien die verwendeten Grenzwerte wie 35 auf 100.000 und 50 auf 100.000 als Auslöser von Maßnahmen wie Maskenpflicht und Sperrstunden Makulatur. Mit den Tests könnten nur Anhaltspunkte, aber keine aussagekräftigen Informationen über den Stand der „asymptomatisch übertragenen Epidemie“ gewonnen werden. Der Begriff „7-Tage-Inzidenzrate“ insinuiere, man wisse über die neu aufgetretenen Infektionen genau Bescheid. Tatsächlich werde die asymptomatische Übertragung außerhalb der Stichprobe vernachlässigt.

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