Zwangsrabatt und Bestandsmarkt
Fischer will kein Tauschgeschäft
Die Frage "Wie hältst Du es mit Zwangsrabatt und Bestandsmarktaufruf?" wird die nächste Regierung beschäftigen. Die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen hat die Gretchenfrage schon einmal beantwortet: Es sei besser, das eine nicht zu tun und gleichzeitig das andere zu lassen.
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Weg mit Zwangsrabatt und Bestandsmarktaufruf, fordert Birgit Fischer.
© Stephanie Pilick
BERLIN. Zwangsrabatte und Preismoratorium auslaufen lassen und gleichzeitig auf die Nutzenbewertung patentgeschützter Arzneimittel verzichten: Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen, Birgit Fischer, hat einen dritten Weg in die Debatte eingebracht.
Damit kontert sie einen im Raum stehenden Vorschlag des unparteiischen Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschuss, Josef Hecken.
Der hatte bereits im Juni davon gesprochen, auf den Bestandsmarkt zu verzichten, wenn die Industrie sich im Gegenzug mit einer Verlängerung des um zehn Prozentpunkte auf 16 Prozent erhöhten Rabattes auf ihre Produkte einverstanden erkläre.
Birgit Fischer signalisiert jedoch klare Ablehnung: "Auf ein solches Tauschgeschäft lassen wir uns nicht ein."
Der vom Gesetz vorgezeichnete Weg sieht sowohl das Auslaufen von erhöhtem Zwangsrabatt und Preismoratorium als auch den Bestandsmarktaufruf vor.
Die Vorschläge von Fischer und Hecken übereinandergelegt, ergibt sich als Schnittmenge die Aufgabe des Bestandsmarktaufrufs. Den wollen offensichtlich beide Kontrahenten am liebsten wieder loswerden.
Bestandsmarktaufruf "produziert Chaos"
"Das produziert nur Chaos", sagte Fischer am Donnerstag. Die Unternehmen müssten Dossiers von mehreren hunderttausend Seiten vorlegen.
Zudem widersprächen sich die Prinzipien von Patentschutz und Nutzenbewertung im Bestand. Schließlich greife der Gesetzgeber damit in die mit dem Patentschutz zugesicherte Refinanzierung der Entwicklungskosten der Medikamente ein.
Auch Hecken schmeckt die zusätzliche Arbeit für den GBA nicht. Auch er muss sich mit sich widersprechenden Prämissen auseinandersetzen.
So hat das Gremium zum Beispiel das Medikament Humira® nicht zur Nutzenbewertung aufgerufen, obwohl mit der Arznei gegen rheumatoide Arthritis mit 580 Millionen Euro 2012 der höchste Umsatz eines Einzelmedikaments überhaupt erzielt wurde.
Die Autoren des aktuellen Arzneiverordnungsreports (AVR) der AOK kritisieren die versäumte Chance, den Kassen Ausgaben zu ersparen. Dabei gehe es um rund 121 Millionen Euro im Jahr, sagte AVR-Herausgeber Professor Ulrich Schwabe.
Heckens Replik klang plausibel. Grund ist, dass der GBA Humira® bereits als zweckmäßige Vergleichstherapie in der frühen Nutzenbewertung eingesetzt habe. Damit scheide es automatisch aus der Liste der zu bewertenden Arzneien aus, so Hecken.
Es gibt einen weiteren Grund. Hecken rechnet mit juristischen Auseinandersetzungen, sollte der GBA ein patentgeschütztes Medikament schlecht bewerten.
Ball liegt beim Gesetzgeber
Weder Fischer noch Hecken haben Einfluss auf das weitere Verfahren. Der Ball liegt im Feld des Gesetzgebers. Er entscheidet über die Höhe des Rabatts und über die Zukunft des Bestandsmarktaufrufs.
Wie der Bundestag künftig zusammengesetzt sein wird, entscheidet sich erst in knapp einer Woche. Im Gesundheitsministerium will man die Vorschläge Dritter nicht kommentieren.
Vor den Wahlen solle auf keinen Fall der Verdacht aufkommen, das FDP-geführte Ministerium schlage sich auf eine Seite. Berichte wie von "Spiegel online", es gebe im Gesundheitsministerium bereits Gespräche auf Fachebene dazu, seien "nicht richtig", sagte ein Sprecher des Ministeriums der "Ärzte Zeitung".
Zu gegebener Zeit werde man sich mit der künftigen Höhe der Rabatte auseinandersetzen.
Der erhöhte Rabatt und ein Preismoratorium gelten seit 2010. Die damit ausgelösten Mindereinnahmen der Hersteller waren als Beitrag der Pharmaindustrie gedacht, das sich für 2011 abzeichnende Kassen-Minus von elf Milliarden Euro abzufedern. Es ist anders gekommen.
Die gute Beschäftigungslage in Deutschland hat der gesetzlichen Krankenversicherung inzwischen Überschüsse von annähernd 30 Milliarden Euro beschert.