Frankreich zeigt bei der E-Card, wo es hin geht

Während in Deutschland die neue Gesundheitskarte zunächst nur das kann, was die alte Chipkarte schon lange vormacht, zeigt Frankreich, dass es auch anders geht. Dort ist die Karte Zugang zur elektronischen Patientenakte.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Gesundheitskarten gibt es in Deutschland und in Frankreich, aber bei den Anwendungen sind die Nachbarn weiter.

Gesundheitskarten gibt es in Deutschland und in Frankreich, aber bei den Anwendungen sind die Nachbarn weiter.

© dpa

FREIBURG. Deutschland hängt bei der IT-Vernetzung im Gesundheitswesen im internationalen Vergleich weit zurück. Das hat erst vor einigen Tagen eine Studie der Unternehmensberatung Accenture gezeigt. Konkret fassbar wurde dieser Rückstand am vergangenen Samstag beim eHealth Forum Freiburg.

Denn dort berichtete Referent Gaston Steiner aus der dem Breisgau benachbarten Region Elsass in Frankreich darüber, was die elektronische Gesundheitskarte in Deutschland in noch ferner Zukunft einmal leisten soll - mit einem Unterschied: In Frankreich ist es bereits beginnende Realität.

Gaston Steiner vertrat beim Forum Alsace éSanté, die regionale Organisation, die für die Umsetzung der Telematikinfrastruktur-Aktivitäten im Elsass zuständig ist.

Alle Ärzte haben eine Smartcard als Arztausweis

Nach den Informationen Steiners gibt es in Frankreich seit einem Jahr eine Verknüpfung der elektronischen Gesundheitskarte, die dort "Carte Vitale" genannt wird, zu einer elektronischen Patientenakte des Patienten. Das System ist ähnlich aufgebaut, wie es in Deutschland einmal werden könnte: "Alle Ärzte in Frankreich haben bereits eine Smartcard für die elektronische Kommunikation, mit der sie Nachrichten nach dem Zwei-Schlüssel-Prinzip verschlüsseln und zusätzlich elektronisch signieren können", sagte Steiner.

In Deutschland ist der Arztausweis dagegen noch nicht in der Breite eingeführt, auch wenn das Konzept dafür bereits seit langem steht.

Carte Vitale

Die Carte Vitale ist die Krankenversicherungskarte der gesetzlichen Krankenversicherung in Frankreich. Sie wird seit 1998 an Versicherte ausgegeben, seit 2007 in zweiter Version, die auch Funktionen einer elektronischen Gesundheitskarte und auch ein Foto des Versicherten enthält.

Die einrichtungsübergreifende elektronische Patientenakte ist über die Carte Vitale zugänglich. Sie soll alle für die Weiterbehandlung relevanten Berichte, Befunde und Bilder enthalten.

Der Patient bleibt dabei Herr der Daten. Die Arzt- und Kliniksoftware ist so konfiguriert, dass die Daten per Knopfdruck in die Akte fließen - als Kopie der Daten im Primärsystem.

Um später den Zugriff zu erleichtern, ist in der Kartensoftware ein Zeitstrahl implementiert, auf dem die einzelnen gespeicherten Dokumente und ihre Art sichtbar sind. (ger)

Die Karte, so Steiner weiter, weise einen Arzt auch aus, wenn er auf die Daten der Carte Vitale, die Versichertenkarte der Patienten, zugreifen wolle. Nach einem Gesetz von 2004 sei die Karte "ein kostenloser Dienst der Krankenversicherung", erläuterte Steiner.

Sie enthalte unter anderem eine eindeutige Identifikationsnummer des Versicherten. Das aktuell größte IT-Projekt im Gesundheitswesen in Frankreich im Zusammenhang mit der Karte sei aktuell die einrichtungsübergreifende elektronische Patientenakte (EPA), die seit März 2011 in der Umsetzungsphase ist.

Die Patientendaten fließen per Knopfdruck in die Akte

Die Software in den Praxen und Kliniken sei so gebaut, dass die Ärzte Daten für die elektronische Patientenakte "per Knopfdruck" in die übergreifende Patientenakte schicken können. "Die EPA ist kein Ersatz für die professionelle Akte in der Praxis oder im Krankenhaus", betonte Steiner.

Nur die Daten, die für eine gemeinsame Behandlung von Patienten nötig seien - Arztberichte, Bilder, Laborbefunde etc. -, würden in die zentrale Akte kopiert. Die Patientenakzeptanz für das System sei "sehr, sehr gut", sagte Steiner auf Nachfrage aus dem Publikum. "90 bis 95 Prozent der Patienten wollen das."

Die Patienten bleiben Herren über ihre Daten

Das könnte auch mit den Rechten der Patienten über die Daten zu tun haben: Diese könnten darüber bestimmen, welche Daten in der Akte stehen, sie könnten Daten zeitweise maskieren und auch manche Daten nur Ärzten, aber nicht Physiotherapeuten oder Krankenschwestern sichtbar machen, erläuterte Steiner das Sicherheitskonzept der EPA in Frankreich.

Dennoch sei der Start der EPA zunächst schleppend verlaufen. Das liegt zum einen an einer gewissen Implementierungszeit und technischen Problemen in Kliniken und Praxen. Zum anderen sind offenbar die Ärzte in den Praxen noch zögerlich bei der Anwendung.

Steiner: "Das kostet etwas Zeit und auch etwas Geld." Das Elsass sei mit mittlerweile mehr als 21.000 EPA in Frankreich führend. In der Uniklinik in Straßburg würden zurzeit 30 bis 50 Akten neu erstellt, "jeden Tag". Insgesamt könnten im Elsass zehn Kliniken Akten anlegen, außerdem seien 396 Ärzte in Praxen beteiligt.

In Frankreich seien jetzt 122.500 Akten online, 211.000 Dokumente seien gespeichert. Die eigentliche Bewährungsprobe steht dem System also noch bevor.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Mehr als eine Nasenlänge voraus

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Kommentare
Uwe Schneider 10.05.201213:21 Uhr

Schönes Beispiel Frankreich

@ Frau Dr. Bauer: Frankreich hat kein staatliches Gesundheitssystem wie es bspw. der NHS im UK darstellt. Es gibt mehrere Kostenträger (v.a. "caisses de maladie"), die sehr unseren Krankenkassen ähneln. Dieses System kann man von daher als GKV-System einordnen. Zugegebenermaßen gibt es in Frankreich weniger Krankenkassen und die haben auch weniger Spielraum als in Deutschland, was im Übrigen auch für die Ärzteorganisationen gilt. Diese etwas zentralistischere Aufstellung in Frankreich machte die Einführung von "carte vitale" (entspricht der eGK) und "sesam vitale" (entspricht einer eEPA) natürlich einfacher. Nichtsdestotrotz kann man sich am Ergebnis auch in Deutschland orientieren.

@ Dr. Günterberg: Richtig ist, dass es nicht immer richtig ist, mit dem Strom zu schwimmen. Aber die Franzosen schwimmen meine ich in diesem Bereich in die richtige Richtung. Ohne Vorlage der "carte vitale" ist in Frankreich kein Zugriff auf den "sesam vitale" möglich. So gesehen liegt der Schutz der Daten recht anschaulich in der Hand der Patienten. Gleiches ist auch für Deutschland mit der eGK geplant. In der Telematikinfrastruktur werden die Patientendaten nur extrem gut verschlüsselt vorliegen. Die Schlüssel liegen nur auf der eGK. Mag sein, dass rund 2 Mio. Heilberufler nach § 291a Abs. 4 SGB V grds. zugriffsberechtigt sein können. Aber doch nur abstrakt gesehen. Niemand, der nicht einem der dort genannten Heil(hilfs)berufe angehört, kann zugreifen. Das heißt aber noch lange nicht, dass jeder Heilberufler auf alle Patientendaten zugreifen wird können. Neben der Einwilligung des jeweiligen Patienten wird dessen technische Autorisierung über die eGK nötig sein. Außerdem kann jeder Patient über die Erteilung oder Nichterteilung einer Einwilligung selbst entscheiden, ob er ausführliche med. Daten in der Telematikinfrastruktur gespeichert haben möchte oder nicht. So wird nicht nur die exponiertere Frau Merkel, sondern auch der normale Patient geschützt.

Mit schönen Grüßen,
nicht aus dem Elsaß, aber von der anderen Rheinseite aus Karlsruhe
U. Schneider

Dr. Birgit Bauer 08.05.201211:36 Uhr

Vergleich von Äpfeln und Birnen !

Bei diesem Artikel fehlt mir der Hinweis, dass es sich in Frankreich um ein staatliches Gesundheitssystem handelt und nicht um eine zerklitterte Kassenstruktur mit vielen Ecken und Kanten wie in Deutschland.
M.f.G.B.Bauer

Dr. Klaus Günterberg 08.05.201209:50 Uhr

WER VON DER TITANIC INS WASSER SPRINGT IST NATÜRLICH DEN ANDEREN VORAUS

Liegt Deutschland zurück, ist uns der Elsass voraus?
Ärztliche Schweigepflicht ist für viele Menschen Voraussetzung, das Gesundheitswesen in Anspruch zu nehmen. Da ist eine deutsche (oder französische, wie auch immer) elektronische Patientenakte der GAU, der Größte Anzunehmende Unfall für den Datenschutz. Die von den Nutznießern eines solchen Systems behauptete Sicherheit gibt es nicht! Vor allem werden von ihnen die Gefahren verschwiegen, die von den Binnentätern ausgehen. In Deutschland hätten ca. 2 Mio Menschen Zugriff auf eine solche Datenbank. Einzelheiten sind publiziert, Sie finden sie auch auf meiner Homepage www.dr-guenterberg.de/Publikationen oder bei www.stoppt-die-e-card.de.

Dass angeblich 90 bis 95 Prozent der Patienten einer zentralen elektronischen Krankenakte zustimmen, ist nicht maßgeblich, die Gefahren einer solchen Datenbank bestehen vor allem für Menschen, die für unsere Sicherheit arbeiten oder die in der Öffentlichkeit stehen! Lax gesagt

"Für Lieschen Müller und ihr Überbein
interessiert sich doch kein Schwein.
Für die Libido der Frau Doktor Merkel
aber interessiert sich jedes Ferkel."

Nur, wenn der Patient in jedem Einzelfall einer Auskunft über seine konkrete Behandlung/seine Befunde/seine Krankheiten vorher zustimmt, darf der Arzt Auskunft geben. Wer als Arzt die Daten seiner Patienten in eine fremde Datenbank einspeist, die Daten damit potentiell anderen zugänglich macht, macht sich damit schon der Verletzung seiner Schweigepflicht schuldig!

Dr. Günterberg
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
Berlin

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