Debatte in Frankreich

Frankreichs Bischöfe: Palliativversorgung statt Sterbehilfe

Gute Palliativversorgung statt Einführung von Sterbehilfe: Die französischen katholischen Bischöfe haben sich in die Debatte um eine Gesetzesinitiative in Frankreich eingeschaltet.

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Eine verbesserte Palliativversorgung in allen französischen Departements fordern die französischen Bischöfe. Ihre Erwartung: Dann werde sich der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe nicht mehr so häufig stellen.

Eine verbesserte Palliativversorgung in allen französischen Departements fordern die französischen Bischöfe. Ihre Erwartung: Dann werde sich der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe nicht mehr so häufig stellen.

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Paris. Frankreichs katholische Bischöfe fordern eine flächendeckende Palliativversorgung im Land statt der Einführung von aktiver Sterbehilfe. Während der Corona-Krise habe die Gesellschaft „schwere Opfer gebracht, um ‚das Leben zu retten‘, insbesondere der Schwächsten, manchmal sogar bis zur Überisolierung kranker oder älterer Menschen“, erklärte der Ständige Rat der Bischöfe am Samstag in Paris. „Wie soll man da verstehen, dass nur wenige Monate nach dieser großen nationalen Mobilisierung der Eindruck entsteht, die Gesellschaft sehe keinen anderen Ausweg (...) für das Lebensende als aktive Sterbehilfe?“

Die Bischöfe verweisen auch auf die Nationale Ethikkommission (CCNE), die zuletzt erklärte, es sei „ethisch nicht vertretbar, eine Gesetzesänderung ins Auge zu fassen, wenn die im Bereich der Palliativpflege empfohlenen Maßnahmen der öffentlichen Gesundheit nicht umgesetzt werden“. Palliativversorgung müsse „vor jeder Reform“ ausgebaut werden.

In vielen Departements gibt es keine Palliativpflege

In ihrer Ablehnung aktiver Sterbehilfe betonen die französischen Bischöfe: „Wir sind sensibel für das Leiden von Menschen, die am Ende ihres Lebens krank oder von schweren Erkrankungen sehr schwer getroffen sind. Wir nehmen die Not der Menschen um sie herum wahr, überwältigt von ihrem Leiden, sogar verzweifelt von einem Gefühl der Hilflosigkeit. Wir wissen sehr wohl, dass die Fragen von Lebensende und nahendem Tod nicht einfach zu händeln sind.“ Weiter heißt es: „Ihr Leiden muss gelindert werden – aber ihre Appelle drücken auch ihr Bedürfnis nach Beziehung und Nähe aus.“

Palliativpflege, die „sowohl den Körper als auch die Beziehungen und die Umgebung des Kranken“ berücksichtige, fördere seit Jahrzehnten „Solidarität und Brüderlichkeit in unserem Land“, so der Appell der Bischofskonferenz. Allerdings fehle solche Versorgung noch immer in einem Viertel aller französischen Departements. Eine ähnliche Position wie die Bischöfe in Frankreich vertritt auch die katholische Kirche in Rom, die ein Weißbuch zur Förderung der Palliativversorgung herausgegeben hat.

Gesetzesvorstoß der Regierung

Mit Blick auf den Gesetzesvorstoß der Regierung für aktive Sterbehilfe schreiben die Bischöfe, die Frage des Lebensendes sei „so heikel, dass sie nicht unter Druck behandelt“ werden könne. Es brauche ein geduldiges Anhören und Abwägen aller gesellschaftlichen Akteure, auch der Philosophie und der verschiedenen religiösen Traditionen. Dies sei „Bedingung für echte demokratische Urteilskraft“.

Staatspräsident Emmanuel Macron hat zuletzt eine breite Debatte in der Bevölkerung angeregt. Ab Oktober solle ein sogenannter Bürgerkonvent das Thema bearbeiten. Zugleich sei vorgesehen, dass sich das Parlament erneut mit der Frage befasst. Ziel soll eine mögliche Gesetzesänderung bis Ende 2023 sein.

Die nationale Ethikkommission gab vor zwei Wochen erstmals grundsätzlich Grünes Licht für eine mögliche rechtliche Freigabe von assistiertem Suizid in einem klar abgesteckten Rahmen. Das Votum stellt einen Bruch mit seinen früheren Stellungnahmen dar; zuvor hatte sich das beratende Gremium stets gegen jede Beihilfe ausgesprochen.

Aktive Sterbehilfe in Frankreich bisher verboten

Die Diskussion um ein selbstbestimmtes Lebensende ist in Frankreich seit 2020 neu entbrannt. Während konservative Abgeordnete und die katholische Kirche Liberalisierungen vehement ablehnen, setzt sich die Präsidentenpartei La Republique en Marche/Renaissance dafür ein. Allerdings kamen entsprechende Gesetzesänderungen in der abgelaufenen Legislatur im Parlament nicht zustande.

Bislang ist in Frankreich nur gesetzlich erlaubt, Todkranke am Lebensende dauerhaft zu sedieren und Apparate abzuschalten. Fälle von Schwerkranken, die sterben wollen oder deren Angehörige sie sterben lassen wollen, sorgen immer wieder für heftige Debatten. (KNA)

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Kommentare
Claus F. Dieterle 26.09.202209:44 Uhr

Zur Situation in Deutschland:
Angesichts der vom Bundesverfassungsgericht beschlossenen Legalisierung der Suizidbeihilfe sollten die Kirchen verdeutlichen, dass eine solche Praxis für sie nicht in Betracht komme. Diese Ansicht vertrat der Bonner Staatsrechtler Prof. Christian Hillgruber bei der  Bundestagung der Vereinigung „Christ und Jurist“ 2022 in Augsburg.

Hillgruber warnte die Kirchen davor, „in einem Akt der Selbstsäkularisierung auch noch selbst Angebote auf Suizidhilfe in ihren eigenen Einrichtungen“ zu machen. Im Gegensatz zur reinen „Sterbebegleitung“ dürften sich Christen an der Suizidbeihilfe nicht beteiligen. „Christen müssen gerade in diesem Punkt Stachel im Fleisch und Salz der Erde sein und dürfen nicht schal werden.“ Es stehe ihnen zwar auch nicht an, sich „als Schul- und Lehrmeister“ aufzuspielen, aber sie dürften ihren Standpunkt nicht verleugnen oder die sich abzeichnende weitere Entwicklung beschweigen und „achselzuckend hinnehmen“.

Sie müssten sich vielmehr „unaufgefordert einmischen und Widerspruch in Wort und Tat artikulieren. Nur so werden sie ihrem Auftrag in der Welt, einer Welt zunehmend ohne Gott, gerecht.“ Christen sollten etwas dazu zu sagen haben, „dass und wie unser Leben in Gottes Hand steht“.

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