Trotz Defizit

GKV bleibt gut gepolstert

Die Krankenkassen machen im ersten Halbjahr ein kräftiges Minus - doch das Bundesgesundheitsministerium sieht die GKV-Finanzlage als stabil an. Und nimmt die Kassen in die Pflicht, bei Prävention spendabler zu sein.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Die Kassen notieren 2015 bislang ein Defizit.

Die Kassen notieren 2015 bislang ein Defizit.

© Christian Ohde / dpa

BERLIN. Die Ausgabendynamik für alle wichtigen Leistungen der Krankenkassen hat sich im ersten Halbjahr 2015 zum gleichen Vorjahreszeitraum deutlich abgeschwächt: von insgesamt 5,3 auf 4,1 Prozent.

Das Wachstum der Arzneimittelausgaben hat sich sogar auf 4,8 Prozent nahezu halbiert.

Gleichwohl haben die Kassen in der Summe ein Defizit von 490 Millionen Euro verbucht, wie aus den am Freitag veröffentlichten KV-45-Daten des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht.

Den Fehlbetrag erklärt das Ministerium damit, dass die Kassen den Zusatzbeitrag im Durchschnitt von 0,9 auf 0,83 Prozent zum Jahresbeginn verringert haben. Ohne diese Beitragssenkung wäre das Finanzergebnis nahezu ausgeglichen ausgefallen.

Insgesamt verfügen die Krankenkassen noch über Reserven von 15,2 Milliarden Euro, eine Milliarde Euro weniger als am 30. Juni 2014. Je nach Kassen und Kassenart fallen die Reserven unterschiedlich aus.

GKV profitiert von der Konjunktur

Über das stärkste Polster verfügen die Ortskrankenkassen: 6,4 Milliarden Euro. Erstmals ist bei ihnen seit langem ein geringer Ausgabenüberhang von 112 Millionen Euro entstanden. Die Ersatzkassen haben Finanzreserven von 4,9 Milliarden Euro, die aber je nach Kasse unterschiedlich hoch sind.

Das Defizit liegt bei 191 Millionen Euro. Die Reserven der Betriebskrankenkassen liegen bei 2,4 Milliarden Euro bei einem Defizit von 127 Millionen. Die Innungskrankenkassen haben Reserven von 1,4 Milliarden Euro und verbuchen ein Defizit von 118 Millionen Euro.

Der Gesundheitsfonds hat noch eine Liquiditätsreserve von 8,6 Milliarden Euro; das ist nach Angaben des Ministeriums doppelt so hoch wie gesetzlich vorgeschrieben.

Im Vergleich zur Jahresmitte 2014 ist das Polster allerdings um 2,5 Milliarden Euro geschrumpft. Ein großer Teil erklärt sich aus dem vorübergehend abgesenkten Steuerzuschuss aus dem Bundeshaushalt, der im nächsten Jahr wieder auf den Ausgangwert zurückkehren soll.

Ferner wird der Gesundheitsfonds, der an die Kassen monatlich gleiche Zahlungen ausschüttet, aufgrund der Verbeitragung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in der zweiten Jahreshälfte deutlich mehr einnehmen als im ersten Halbjahr.

Insgesamt profitiere die GKV bei einer günstigen Entwicklung der Beitragseinnahmen weiterhin von der positiven Lohn- und Beschäftigungsentwicklung.

Deutlich abgeschwächt hat sich die Ausgabenentwicklung: auf 3,9 Prozent (inklusive Verwaltungsausgaben); sie lag im Gesamtjahr 2014 noch bei fünf Prozent.

Insbesondere gilt das für die Entwicklung der Arzneimittelausgaben, deren sprunghafter Anstieg 2014 um 9,4 Prozent je Versicherten von der Verringerung der gesetzlichen Rabatte verursacht war. Im ersten Halbjahr lag der Zuwachs bei 4,8 Prozent und damit unterhalb des Zielbereichs der Rahmenvereinbarung von GKV und KBV.

Erklärt wird der aktuelle Ausgabenanstieg vom BMG mit Arzneimittelinnovationen, vor allem für neu zugelassene Arzneimittel gegen Hepatitis C, für die 600 Millionen Euro ausgegeben wurden.

Mehr Engagement bei Prävention!

Erstmals seit langem haben sich die Ausgaben für Krankengeld mit einem Plus von 5,3 Prozent moderat nach oben bewegt. In den vergangenen zehn Jahren hatten sich die Ausgaben nämlich mit zum Teil zweistelligen Zuwächsen auf 10,6 Milliarden Euro jährlich (2014) verdoppelt.

In einem Sondergutachten soll der Sachverständigenrat die Ursachen analysieren. Relativ starke Zuwächse sind bei Präventionsleistungen mit sieben Prozent zu beobachten.

Dennoch mahnt das BMG: "Die Ausgaben bleiben weit hinter dem finanziellen Engagement zurück, das für die Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention erforderlich ist."

Lesen Sie dazu auch: Kassenbeiträge: Gröhes Gesetze gibt es nicht zum Nulltarif

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025

Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 04.09.201518:34 Uhr

GKV-Kassen jammern auf hohem Niveau!

Wer bei einem GKV-Gesamtetat von circa 300 Milliarden Euro pro Jahr über knapp 500 Millionen Euro Defizit im 1. Halbjahr 2015 klagt, braucht doch nur den Gesundheitsfonds bitten, im 2. Halbjahr etwas mehr auszuschütten. Denn der Gesundheitsfonds, der an die Kassen monatlich gleiche Zahlungen ausschüttet, nimmt aufgrund der Verbeitragung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in der zweiten Jahreshälfte deutlich mehr ein, als im ersten Halbjahr.

Ansonsten ein brillanter Bericht von Helmut Laschet!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025