KV-Vorstände vs. KBV-Chef

Gassen für Lockdown-Kritik getadelt

Der Lockdown wird in der Ärzteschaft weiterhin unterschiedlich bewertet. KBV-Chef Gassen geißelt fehlende Nachhaltigkeit der Strategie. KV-Vorstände halten ihn hingegen für zwingend.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Während KBV-Chef Gassen den bundesweiten Lockdown seit dem 16. Dezember in Zweifel zieht, betrachten ihn mehrere regionale KV-Vorstände als zwingend.

Während KBV-Chef Gassen den bundesweiten Lockdown seit dem 16. Dezember in Zweifel zieht, betrachten ihn mehrere regionale KV-Vorstände als zwingend.

© Bernd Thissen / dpa

Berlin. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen hat sich erneut in die Debatte um die richtige Strategie zur Pandemiebekämpfung eingeschaltet. Er sei skeptisch, ob die verschärften Maßnahmen bis zum 10. Januar wirklich den erhofften Nutzen brächten, sagte Gassen dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Es sei schwer vorstellbar, dass der von der Politik als Messlatte angepeilte Wert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen durch diesen Lockdown nachhaltig unterschritten werde, gleichgültig, ob der Lockdown nun drei oder zehn Wochen dauere, sagte Gassen.

Der KBV-Chef plädierte stattdessen für einen besseren Schutz der Risikogruppen. Mit FFP2-Masken, regelmäßigen Tests in Heimen sowie dem Entzerren von Verkehrs- und Kundenströmen ließe sich „deutlich mehr erreichen“ als mit dem pauschalen Herunterfahren des öffentlichen Lebens.

Differenzen zwischen der KBV-Führung und Ärzteverbänden über die Nachhaltigkeit der Corona-Strategie von Bund und Ländern sind spätestens seit dem Positionspapier der KBV gemeinsam mit Virologen Ende Oktober immer wieder Gesprächsthema.

KV Hessen: „Hättest Du geschwiegen ...“

Die Äußerungen des KBV-Chefs lösten zum Teil deftige Reaktionen aus. Als „deplatziert und kontraproduktiv“ bezeichneten die Vorstandsvorsitzenden der KV Hessen Gassens Einlassungen.

Stattdessen sei es wichtig, den Menschen zu sagen, dass sie sich auch in dieser schwierigen Zeit auf die ambulante Versorgung verlassen könnten und sie nicht zu verunsichern, sagten Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke. „Wenn Du geschwiegen hättest, wärest Du ein Philosoph geblieben“, mahnten die KV-Chefs zur Zurückhaltung. Aus Sicht der KV Hessen sei der „harte Lockdown“ „richtig und alternativlos“.

Die Haltung des KBV-Chefs wird auch sonst nicht überall geteilt. Die Vorstände der KV Nordrhein und der KV Baden-Württemberg hatten bereits am Tag vor der Veröffentlichung von Gassens Äußerungen Bund und Ländern die „nachhaltige Unterstützung der niedergelassenen Ärzteschaft“ zugesichert.

Bergmann: „Trend stoppen“

„Der aktuelle Lockdown ist zwingend erforderlich angesichts der Pandemieentwicklung (…) und muss entsprechend hart durchgesetzt werden. , sagte der Vorstandschef der KVBW Dr. Norbert Metke. „Wir bedanken uns ausdrücklich beim Bundesgesundheitsministerium für das bisherige exzellente Krisenmanagement“, schob Metke nach und erinnerte an den Schutzschirm für die Praxen und die Bereitstellung von Schutzausrüstung durch den Bund.

Ins gleiche Horn stieß Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KVNO: „Wir müssen diesen Trend stoppen, sonst geht das bis zum Frühjahr immer so weiter.

Fechner: „Wissenschaftlicher Diskurs“

Baden-Württembergs KV-Vize Dr. Johannes Fechner forderte einen wissenschaftlichen Diskurs darüber, wie es nach dem 10. Januar weitergehen solle. Die Vorstände zeigten sich in ihrer Erklärung einig, dass nach dem „völlig unverzichtbaren derzeitigen Lockdown“ außer dem Impfen der vulnerablen Gruppen und des Medizin- und Pflegepersonals „schnellstmöglich“ weitere Maßnahmen ergriffen werden müssten, um eine schrittweise Rückkehr aus dem harten Lockdown in Zukunft zu flankieren.

Eher nachdenklich gab sich Stefan Windau, KV-Vize in Sachsen: „Die Politik muss besser als bisher, klarer und mit wirklicher Mühe zur Überzeugung das kommunizieren, was sie für richtig hält“, schrieb Windau im Editorial zur Dezemberausgabe der KV-Nachrichten in Sachsen.

Er wolle keinesfalls diejenigen unterstützen, die die Pandemie in Frage stellten, notierte Windau. „Ich möchte aber eine Lanze für die brechen, die sachlich fundiert fragen, wie wir langfristig mit dieser Pandemie oder ähnlichen Bedrohungslagen umgehen wollen“, fährt er im Text fort.

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