Ende der Corona-Maßnahmen
Gassens Vorschlag für „Freedom Day“ stößt auf Ablehnung
KBV-Chef Dr. Andreas Gassen fordert das Ende aller Corona-Restriktionen zu einem bestimmten Stichtag. Seine Idee eines „Freedom Days“ wird von weiten Teilen der Politik abgelehnt. Er selbst sieht keine Chance für eine Herdenimmunität.
Veröffentlicht:Berlin. Auch nach Ende der „Impf-Aktionswoche“ halten Politiker und Ärztefunktionäre den Druck auf Ungeimpfte hoch. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen sprach sich am Morgen für einen fixen Endpunkt aller einschränkenden Corona-Maßnahmen aus. Das Datum sollte etwa sechs bis sieben Wochen nach der Ausrufung eines so genannten „Freedom Days“ liegen, schlug Gassen im ZDF vor.
„Man muss ausreichend Vorlauf geben, damit die Menschen Impftermine vereinbaren und sich zweimal impfen lassen können“, sagte Gassen. Zudem benötigten sie weitere 14 Tage bis zur Immunisierung.
Gassen warnte, sich auf Herdenimmunität durch Impfung zu verlassen. „Es ist nicht so, dass zwei Drittel der Bevölkerung ausreichen. Das funktioniert bei der Delta-Variante nicht,“ sagte Gassen. Die Corona-Impfung schaffe keine sterile Immunität.
Wer sich nicht impfen lasse, werde sich wahrscheinlich bis zum kommenden Frühjahr mit Corona infizieren. Insofern gebe es keine Impfquote, die man zwingend erreichen müsse.
Vertreterversammlung
KBV-Vorstand fordert: Alle staatlichen Corona-Maßnahmen aufheben!
Gassen: Mit Delta keine Herdenimmunität
Gassen wies den Vorwurf zurück, mit seinem Vorschlag das Gesundheitswesen einem Belastungstest aussetzen zu wollen. „Das ist Unfug“, sagte Gassen. Der Bundestag habe gerade eine Festlegung getroffen, dass die Inzidenz alleine kein Parameter mehr sein solle, sondern die regionale Belastung anhand zusätzlicher Indikatoren ermittelt werden könne. „Das Infektionsschutzgesetz ist weiterhin in Kraft“, sagte Gassen.
Die Reaktionen aus Politik und Ärzteschaft auf Gassens Vorschlag fielen gemischt aus. Widerspruch kam aus der Bundesregierung. Für einen Stichtag zur Beendigung der Einschränkungen gebe es deutlich zu viele Ungeimpfte und noch zu starke regionale Unterschiede, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Geimpfte und Genesene hätten zudem bereits viele Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Krauß: „Mehr Impf-Days statt Free-dom Day“
„Wir brauchen zuerst noch einige Impf-Days“, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß. Die Impfquoten seien noch nicht ausreichend, Herdenimmunität sei noch nicht erreicht. Die Gefahr einer Überforderung der Krankenhäuser sei noch nicht gebannt.
Der SPD-Gesundheitspolitiker und Arzt Professor Karl Lauterbach nannte Gassens Vorschlag auf Twitter „ethisch nicht vertretbar“. Eine Öffnung sei besser erst ab einer Impfquote von 85 Prozent vertretbar.
Dahmen: Brauchen 90 Prozent bei den über 60-Jährigen
Auch der Grünen-Abgeordnete Janosch Dahmen, ebenfalls Arzt, sieht Gassens Vorstoß im Widerspruch mit der Mehrheit der niedergelassenen Ärzte. Für eine Lockerung der Maßnahmen benötige man bei den über 60-Jährigen eine Impfquote von mehr als 90 Prozent, in der Gesamtbevölkerung 80 Prozent. Aktuellen Schätzungen zufolge sind von den 24 Millionen Menschen über 60 Jahre vier Millionen noch nicht geimpft.
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel unterstützte dagegen den KBV-Chef: Die Kassenärzte wüssten besser als alle selbst ernannten Gesundheitsexperten um die Corona-Lage und den Zustand des Gesundheitswesens.
Spahn: Brauchen bundesweit 2G-Regeln
Das Bundesgesundheitsministerium hat am Montag einen Kinderimpfstoff für das erste Quartal 2022 in Aussicht gestellt. Booster-Impfungen solle es aber am besten nur für Hochbetagte und Menschen, die einen Vektor-Impfstoff erhalten hätten, geben, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Montag in Berlin.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) selbst hat bundeseinheitliche Regeln für 2G gefordert. Es sei „sehr verwirrend, dass wieder einmal jedes Bundesland seinen eigenen Weg geht“, sagte Spahn der Funke Mediengruppe. Wo solche Modelle gelten, können Gastronomen und Veranstalter den Zugang zu ihren Räumlichkeiten freiwillig auf Geimpfte und Genesene beschränken, um keine Abstandsregel mehr einhalten zu müssen.
Der Minister äußerte sich im Deutschlandfunk kritisch gegenüber staatlichen Prämien, um Unentschlossene zur Impfung zu überreden. Steuerliche Entlastungen für Unternehmen, die ihrerseits mit Rabatten die Impfbereitschaft anreizten, ließen sich jedoch in den Blick nehmen, so Spahn.