Tobacco Harm Reduction
Gefäßmediziner fordern offenes Ohr für E-Dampf
Auf ihrer Jahrestagung geben die Gefäßmediziner Handlungsempfehlungen zum Rauchstopp. Sie setzen auch auf Rauchalternativen.
Veröffentlicht:Mannheim. In Deutschland greift mehr als jeder Vierte über 14 Jahre regelmäßig zur Zigarette – und das oft mit gravierenden Folgen: Rauchen ist neben unzureichender Bewegung und ungesunder Ernährung ein wesentlicher Risikofaktor für schwere chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen oder Krebs. Zudem beinhaltet der Konsum von Nikotin, der im Zigarettentabak enthalten ist, alle Probleme einer Suchterkrankung. Darauf machte die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) im Rahmen ihrer 37. Jahrestagung in Mannheim aufmerksam – und gewährte einen Blick in ihren Versorgungsalltag.
Die meisten der in der Gefäßmedizin behandelten Patientinnen und Patienten seien Raucherinnen und Raucher und nähmen bewusst die daraus resultierenden Risiken wie Amputation, tödlicher Herzinfarkt und Schlaganfall trotz erfolgreicher Operation oder einen Kathetereingriff in Kauf, so die Erfahrung der Ärzte. Um hier auch in anderen Facharztdisziplinen in puncto Rauchstopp ein Umdenken weg vom strengen, kategorisch auf den Rauchausstieg fokussierten Ansatz „Quit or Die“, der auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) alternativlos verfolgt wird.
Handlungsempfehlung der DGG
Auf ihrer Jahrestagung erarbeitete die DGG klare Handlungsempfehlungen an die deutschen Gesundheitspolitiker. Die Gesellschaft rät explizit zu einer objektiven Aufklärung über die Möglichkeiten der Entwöhnung von konventionellen Verbrennungs-Zigaretten mithilfe etablierter Maßnahmen wie E-Zigaretten, Tabakerhitzern oder einer medikamentösen Nikotinersatztherapie, wenn die Entwöhnung ansonsten nicht gelingt.
Und dies scheint eher die Regel als die Ausnahme zu sein. „Sie müssen wissen, dass Raucher abhängig sind und – wenn sie überhaupt ernsthaft aufhören wollen – sieben bis acht Entwöhnungsversuche brauchen, bis es klappt“, rief zum Beispiel Dr. Tobias Rüther, an der Spezialambulanz für Tabakabhängigkeit des Klinikums der Universität München als Oberarzt und Privatdozent tätig, im Mai den Mitgliedern des Bundestags-Finanzausschusses in Erinnerung, als es um die Lenkungswirkung höherer Tabaksteuern im Zuge des – inzwischen verabschiedeten – Tabaksteuermodernisierungsgesetzes ging.
Auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen sind nach Ansicht der DGG-Experten sinnvoll. „Solche Maßnahmen werden neuerdings sogar im Einzelfall von den Krankenkassen finanziert“, betont Professor Martin Storck, Gefäßchirurg und Experte der DGG. „Kritisch anzusehen ist allerdings, dass die Gesundheitspolitik das Thema im europäischen Vergleich nicht ausreichend aufgreift.“ So läge Deutschland bei der Tabakentwöhnung im europäischen Vergleich an letzter Stelle, bedauerte er. (maw)