Schleswig-Holstein

Geht der Arzt als Corona-Superspreader in die Praxis?

Mögliche Coronavirus-Infizierte sollen nicht in die Praxis kommen. Aber was tun Ärzte, wenn ein Patient anruft? Der Chef des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein Dr. Thomas Maurer fühlt sich von der Politik alleingelassen.

Von Dirk Schnack Veröffentlicht:
Dr. Thomas Maurer:  „Muss ich überhaupt zu einem solchen Patienten? Bin ich verpflichtet, mich diesem Risiko auszusetzen?“

Dr. Thomas Maurer: „Muss ich überhaupt zu einem solchen Patienten? Bin ich verpflichtet, mich diesem Risiko auszusetzen?“

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Bad Segeberg. Das Deutsche Gesundheitswesen sei vergleichsweise gut ausgerüstet und vorbereitet auf das Coronavirus: Dies haben Gesundheitspolitiker in den vergangenen Wochen mehrfach betont. Das Bundesgesundheitsministerium empfiehlt, bei Verdacht den Hausarzt einzuschalten. Wie aber sind Hausärzte konkret vorbereitet, wenn ein Patient telefonisch den Verdacht äußert, sich angesteckt zu haben?

Hausärzte in Schleswig-Holstein vermissen für einen solchen Fall klare und nachvollziehbare Regeln. Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein, Dr. Thomas Maurer, warf der Politik in diesem Zusammenhang Versäumnisse vor.

Test ohne Konsequenz?

„Als Hausarzt fühle ich mich von der Politik allein gelassen in Sachen Coronavirus“, sagte Maurer in der Abgeordnetenversammlung der KV Schleswig-Holstein. Ausgangspunkt seiner Kritik war die Information von Laborärzten, dass bereits zahlreiche Tests auf Coronavirus in den Laboren vorgenommen wurden. „Warum ist noch niemand unter Quarantäne gestellt?

Muss ich überhaupt zu einem solchen Patienten? Bin ich verpflichtet, mich diesem Risiko auszusetzen?

Dr. Thomas Maurer, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein

Ein solcher Test müsste doch Konsequenzen nach sich ziehen, bis das Ergebnis feststeht. Was passiert mit dem Arzt, der den Patienten getestet hat? Geht der als „Superspreader zurück in die Praxis?“, konkretisierte Maurer seine Fragen im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“.

Speziell für den Fall, dass ein Hausarzt zu einem Verdachtsfall gerufen wird, vermisst er Verhaltensregeln. Für ihn stellen sich in diesem Zusammenhang weitere Fragen, die aus seiner Sicht bislang nicht beantwortet sind, etwa: „Muss ich überhaupt zu einem solchen Patienten? Bin ich verpflichtet, mich diesem Risiko auszusetzen?“ Ein weiteres Problem für Landärzte, die wie Maurer 100 Kilometer vom nächsten Labor entfernt praktizieren: „Wie bekomme ich die Probe zeitnah ins Labor?“

Ausrüstung in Praxen fehlt

Die zahlreichen Hinweise öffentlicher Institutionen auf die bestehenden Informationen etwa des RKI hält Maurer aus Hausärztesicht in diesem Zusammenhang für wenig hilfreich. Er hätte erwartet, dass die Politik auf Landesebene eine Task Force einrichtet, die sich auch solchen speziellen Fragen widmet.

Ähnliche Bedenken äußerte eine namentlich nicht genannte Kieler Hausärztin am Donnerstag in den „Kieler Nachrichten“. Sie kritisierte, dass sie nicht dafür ausgerüstet sei, im Verdachtsfall Abstriche bei Patienten zu nehmen. In der Praxis habe sie nicht die entsprechenden Räume dafür, für Hausbesuche nicht die entsprechende Schutzkleidung. Sie forderte deshalb, Untersuchungen auf das Coronavirus grundsätzlich in Kliniken zu verlegen.

Ärzteteams bilden und schulen

Maurer schlug vor, landesweit mehrere Ärzteteams zu bilden, die für solche Hausbesuche geschult und ausgerüstet sind und bei Verdacht zu den Patienten geschickt werden – „und die Patienten nicht aus 2000 Hausärzten jemanden auswählen lassen, der vielleicht eine Maske hat.“

KV-Chefin Dr. Monika Schliffke, sagte: „Regeln Sie, wenn nötig, die Dinge telefonisch und in Absprache mit Ihrem jeweiligen Gesundheitsamt.“ Die Mitarbeiter der 116 117 würden Anrufer bei einer Kontaktaufnahme mit Kliniken und Gesundheitsämtern unterstützen.

Sie verwies darauf, dass es schon seit Mitte Januar keine Schutzmaterialien der 3er Kategorie mehr gibt. Am Freitag soll es im Kieler Sozialministerium zu einer Abstimmung zum Thema kommen, bei der auch die KV einbezogen ist.

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Kommentare
Dr. Christina Dietz 28.02.202012:53 Uhr

Wie sollen wir Ärzte uns schützen, wenn Atemmasken vergriffen, ausverkauft sind? Wer besorgt Schutzkleidung, vermutlich Einmalweg-Anzug? Haben die Gesundheitsämter dafür Vorsorge getroffen? Wer ist zuständig?
Unsere Politiker sind Menschen der Worte, nicht der Taten!

Dr. Christina Dietz 28.02.202011:49 Uhr

Bei uns im Passauerraum sind alle Schutzmasken ausverkauft, dasselbe habe ich von meinem Sohn in Reutlingen erfahren. Haben die Gesundheitsämter vielleicht einen Vorrat für die Hausärzte? Wie sollen sich die besorgten Bürger schützen? Wie sollen Hausärzte ohne Schutzmöglichkeit Hausbesuche bei Verdachtsfällen machen?
Noch ist unsere Region noch verschont, doch wer weiß, wie lange! Unsere Politiker können -wie meist- nur klug daherreden -aber von der Praxis und dem Alltag sind sie weit entfernt!

Dr. Thomas Georg Schätzler 27.02.202019:25 Uhr

Vielleicht nur der Hektik der Coronavirus-Berichterstattung geschuldet:

Der Kollege und "Chef des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein Dr. Thomas Maurer fühlt sich von der Politik" nicht "eingelassen" sondern a l l e i n e g e l a s s e n.

Meine deutliche Warnung an die Politik: Ärztinnen und Ärzte sind nicht verpflichtet, sich ohne verbindliche vorgehaltene Schutzmaßnahmen von Gesundheits- und Aufsichtsbehörden erheblichen Krankheits- und Ansteckungsrisiken auszusetzen.

Das bisherige dilettantische Verhalten von vermeintlich Sach- und Fachkundigen als krankheits- und gesundheitspolitische Laienschauspieler fördert Staatsverdrossenheit und innere Emigration von Helferinnen und Helfern.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Karlheinz Bayer 27.02.202019:16 Uhr

Thomas Maurer hat vollkommen recht. Wenn der Patient nicht in die OPraxis kommt, sondern der Arzt ggeht zum Patienten, ist die Ansteckungsgefahr und die Überträgergefahr für den Arzt gleich hoch. Allerdings, man nimmt für die Praxismitarbeiter das Risiko - zunächst - heraus. Was aber, wenn der Arzt ioder die Ärztin infiziert sind und das Virus selbst in die Praxis schleppen?
Eine undurchdachte Empfehlung.
Zwei Dinge möchte ich allerindgs noch ergänzen.
Zum einen bin ich aufmerksam geworden, weil sowohl in Tübingen als auch auf Teneriffa Ärzte erkrankt sind.
Kann es sein, daß wir Ärztinnen und Ärzte geradezu mustergültige Überträger sind? Also keineswegs nur gefährdet.
Das zweite ist die gut gemeinte Empfehlung, die Patienten sollen bitte anrufen, statt in die Praxis zu kommen.
Es ist nicht ganz fair, den Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitsamt gegenüber, aber meine Mitarbeiter haben die Weisung, jedem dieser Anrufer die Telefonnummer des Gesundheitsamts zu geben. Im begründeten Verdachtsfall müßte ohnehin das Gesundheitsamt eingeschaltet werden.
Und noch eine Regelung ist fragwürdig.
Es heißt so schön, daß die Zentralkliniken über Beatmungs- und Isolationsbetten verfügen.
Aus der Katastrophenmedizin wissen wir, daß es ein Fehler ist, die großen Kliniken früh zu belegen.
Um wirklich den ersten Schwung an Patienten aufzufangen bleibt kein anderer Weg als die Einrichtung von Notlazaretten für die Erstebetreuung. So wie das bei den ersten hundert Chinaheimkehrern im pfälzischen Germersheim passiert ist.
Mit jedem falschen Schritt wird das Chaos nur größer.
Ich gebe zu, ich habe keinen Rat, wie man alles optimal richtig machen kann.
Aber die genannten Punkte zeigen, wie es schon falsch - sagen wir bedenklich richtig - gemacht wurde.

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