Pharma-Dialog
Gemeinsam für den medizinischen Fortschritt
Start des Pharma-Dialogs: Regierung und Pharmaunternehmen wagen den Spagat. Die Interessen der Industrie und die der Sozialsysteme sollen unter einen Hut gebracht werden.
Veröffentlicht:BERLIN. Regierung und Pharma-Industrie haben den im Koalitionsvertrag vereinbarten ressortübergreifenden Dialog offiziell gestartet.
Ziel sei es, den Pharmastandort Deutschland zu stärken, um eine flächendeckende, qualitativ hochwertige und sichere Arzneimittelversorgung in Deutschland sicherzustellen, betonten die Beteiligten am Montag in Berlin.
Beide Seiten machten deutlich, dass es sich dabei um einen Spagat handelt. Deutschland solle wieder Vorreiter beim medizinischen Fortschritt werden können, sagte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bei der Vorstellung des Dialogs am Montag in Berlin. Übergeordnetes Ziel bleibe aber, dass alle an diesem Fortschritt teilhaben könnten.
In einem Beitrag für das "Handelsblatt" (Montag) hatte Gröhe einen Ausgleich zwischen den Interessen der Unternehmen und den Erfordernissen eines solidarischen Gesundheitssystems angemahnt. Der von der Industrie angestrebte Fortschritt folge nicht automatisch den Bedürfnissen der Patienten.
Der Vorsitzende des Verbands forschender Pharmaunternehmen (vfa), Dr. Hagen Pfundner, setzte als Sprecher der Pharmaverbände den Akzent etwas anders: Es ist uns bewusst, dass der Erhalt der sozialen Sicherungssysteme ein wichtiger Merkposten bleiben muss", sagte Pfundner. Diese dürften aber nicht zur Technologiebremse werden.
Die starke Konzentration der Wirkstoffproduktion außerhalb Deutschlands, ja Europas, treibt Politiker und Wissenschaftler um. "Wir müssen uns um die Lieferengpässe bei Wirkstoffen kümmern", sagte Gröhe.
110.000 Mitarbeiter in der deutschen Pharmabranche
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) betonte die Schlüsselrolle von Wirkstoffforschung und Arzneimittelentwicklung.
"Wenn wir die Leistungsfähigkeit der Pharmazeutischen Forschung und Entwicklung erhöhen, unterstützen wir nicht nur den Standort Deutschland, wir schaffen auch die Voraussetzungen für eine bessere Medizin", sagte Wanka.
In Deutschland fehle es an der Translation der Ergebnisse der Grundlagenforschung in die Produktion von Wirkstoffen, ergänzte Professor Günther Wess vom Helmholtz-Zentrum München.
Es bedürfe einer akademischen Wirkstoffforschung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Rolle der Pharmaindustrie als wirtschaftlicher Stabilitätsfaktor unterstrich Wirtschaftsstaatssekretär Uwe Beckmeyer.
Die Unternehmen lösten erhebliche Umsatz- und Beschäftigungseffekte aus. Die Gewerkschafften hofften mit dem Dialog auf Verbesserungen für die hochqualifizierten Arbeitnehmer in der Pharmaindustrie.
Die Arzneimittelhersteller in Deutschland erzielten im Jahr laut amtlicher Statistik 2013 Umsätze von gut 42 Milliarden Euro. Sie beschäftigten in Deutschland mehr als 110.000 Mitarbeiter, fast 16.000 davon in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.
Der Pharma-Dialog dürfe nicht zu einer Image-Kampagne für die Pharmakonzerne ausarten, warnte Kathrin Vogler, die arzneimittelpolitische Sprecherin der Fraktion der Linken.
Ein Pharma-Dialog sei sinnvoll, um die Diskussion über ein offenes Studienregister voranzutreiben, die nicht kommerzielle Forschung zu fördern und Versorgungsmodelle für Entwicklungsländer zu schaffen.
Der Dialog zwischen Regierung, Wissenschaft sowie der Industrie und der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie soll im Januar 2016 abgeschlossen werden. Am Montag beschäftigten sich die Dialogpartner mit einer Bestandsaufnahme der Pharmakapazitäten.
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