Erstattungsbetrag nach Nutzenbewertung

Gericht fordert transparente Festlegung von Mischpreisen

Die Preisbildung neuer Medikamente mit gemischter Zusatznutzen-Bilanz bleibt umstritten – mit Folgen für verordnende Ärzte.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Weiterhin umstritten: die Preisbildung neuer Medikamente mit gemischter Zusatznutzen-Bilanz

Weiterhin umstritten: die Preisbildung neuer Medikamente mit gemischter Zusatznutzen-Bilanz

© Sven Bühren / fotolia.com

Potsdam/Berlin. Vertragsärzte, die neue Medikamente verordnen, kann eine längere Phase der Unsicherheit drohen. Das gilt insbesondere, wenn Hersteller und Kassen sich auf einen Mischpreis für das betreffende Arzneimittel geeinigt haben. Dieser wird festgelegt, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nur für einzelne Patientensubgruppen einen Zusatznutzen des Präparats erkannt hat.

Denn das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat am Mittwoch ein Fragezeichen hinter das bisherige Verfahren der Mischpreisbildung gesetzt. Die Richter hoben zwei Schiedssprüche auf, mit denen Erstattungsbeträge für die Eperzan (Wirkstoff Albiglutid) und Zydelig (Idelalisib) festgesetzt worden waren. Damit gab das LSG einer Klage des GKV-Spitzenverbands statt.

In beiden Fällen monierten die Richter, dass der Rechenweg, in dem die Schiedsstelle den Mischpreis kalkuliert hat, nicht "nachvollziehbar und transparent" aufgezeigt wurde. Zusätzlich merkte das Gericht an, das Verfahren der Mischpreisbildung sei weder im einschlägigen Paragrafen 130b SGB V geregelt, noch in einer Vereinbarung der Selbstverwaltung festgelegt worden. Das LSG ließ in beiden Fällen wegen der grundsätzlichen Bedeutung Revision beim Bundessozialgericht zu.

Aus Sicht von Professor Jürgen Wasem, Vorsitzender der Schiedsstelle, ist der Mischpreis "nicht tot, aber behandlungsbedürftig". Er sei "erstaunt über die neue Akzentsetzung im Urteil", sagte Wasem der "Ärzte Zeitung". Anders als noch bei seiner vorläufigen Entscheidung im März habe das LSG den Mischpreis nicht grundsätzlich als rechtswidrig angesehen. "Ich vermute, dass die Richter überrascht waren von der Versorgungsdiskussion, die sie losgetreten haben." Für "sehr problematisch" hält der Gesundheitsökonom jedoch die Richterkritik an der Festlegung der Höhe des Erstattungsbetrags. "Das fällt aus meiner Sicht in den normativen Kernbereich einer Schiedsstelle." Denn das Ausmaß des Zusatznutzens sei nur begrenzt objektiv monetarisierbar.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) warnte als Folge der Entscheidung vor einer "Hängepartie zu Lasten der Versorgungsqualität". Bisher habe der Mischpreis in der Praxis gut funktioniert und die Therapiefreiheit der Ärzte unterstützt, erklärte der vfa. Bei bisher 46 Medikamenten sei der Erstattungsbetrag auf Basis eines Mischpreises festgelegt worden, erinnert der Verband. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI): Der Gesetzgeber sei nun am Zug und müsse im SGB V die Zulässigkeit des Mischpreises regeln, hieß es.

Wasem sieht Handlungsbedarf an einer anderen Stelle. Der auf der Bundesebene vereinbarte Mischpreis werde auf der Ebene der regionalen Vereinbarungen "von KVen und Kassen oft torpediert". Hier müsse der neue Bundestag ran, und zwar rasch nach der Wahl.

Die KBV sieht sich in ihrer Position bestätigt, dass ein Erstattungsbetrag, der sowohl die Patientengruppen mit als auch jene ohne Zusatznutzen einpreist, "als wirtschaftlich anerkannt werden" muss, hatte KBV-Vorstandsvize Dr. Stephan Hofmeister im April gefordert.

Doch Gesundheitspolitiker reagierten zurückhaltend. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dietrich Monstadt und sein SPD-Kollege Edgar Franke erklärten jüngst beim Hauptstadtkongress, Handlungsbedarf sähen sie erst, sollte das Urteil vom Bundessozialgericht bestätigt werden.

Der GKV-Spitzenverband sieht sich "angesichts der klaren Aussagen des LSG im Hauptsacheverfahren zu Albiglutid bestätigt, juristische Schritte gegen den Schiedsspruch eingeleitet zu haben", sagte eine Sprecherin. Ob sich aus dem Urteil weitere Schritte ableiten, "werden wir klarer sagen können, wenn wir das schriftliche Urteil ausgewertet haben", hieß es.

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