Griechenland
Gesundheit wird immer öfter zum Privileg
Wenn Korruption den Alltag beherrscht: In Griechenland zahlt jeder dritte Klinikpatient Schmiergelder, zeigt eine Studie. Die gesundheitlichen Folgen der Krise und der anhaltende Protest gegen die Rentenreform verschärfen das Problem.
Veröffentlicht:ATHEN. So harmlos das griechische Wort "Fakelaki" - kleiner Umschlag - klingen mag, so schädlich ist es für das von der Krise gezeichnete griechische Gesundheitssystem.
Denn Schmiergeldzahlungen an Ärzte, verpackt in einem "Fakelaki", entrichtet etwa jeder dritte Grieche, der ein staatliches Krankenhaus aufsucht. Das bestätigte der Chef der griechischen Anti-Korruptionsbehörde, Leandros Rakintzis, jüngst bei der Präsentation einer entsprechenden Studie.
"Korruption ist schon seit Langem ein Problem", sagte Dr. Charalambos Koulas, Vertreter der Panhellenic Medical Association als griechisches Gegenstück zur Bundesärztekammer, der "Ärzte Zeitung".
Seit die Krise die Situation vor Ort jedoch verschlimmerte, seit Patienten in staatlichen Krankenhäusern Monate auf einen Termin warten und in Notfällen Schlange stehen müssen, verschärfe sich auch das Problem der Schmiergeldzahlungen.
Sie seien im griechischen Gesundheitswesen weiter gang und gäbe, bestätigten auch verschiedene Ärzte bei einer Recherche der "Ärzte Zeitung", die namentlich jedoch nicht genannt werden wollten.
"Ich gehe davon aus, dass die Ärzteschaft dreigeteilt ist", sagte Rakintzis. "Ein Drittel der Ärzte verlangt aktiv Schmiergeld, ein Drittel nimmt, was der Patient von sich aus gibt, und ein Drittel ist immun gegen Bestechung."
2741 Menschen befragt
Befragt wurden im Rahmen der Studie 2741 Menschen. Sie gaben an, für mehr als die Hälfte des Geldes, das sie für die Behandlung zahlten, keine Quittung erhalten zu haben. Die Höhe der Bestechungsgelder variiert der Studie zufolge von 200 Euro für kleine Eingriffe bis zu 5000 Euro bei großen Operationen.
Dass im Gesundheits- und Sozialwesen Griechenlands noch immer vieles im Argen liegt, zeigen auch die anhaltenden Proteste gegen die geplante Rentenreform. Unter den Demonstranten - allein in Athen sollen es in einer Woche mehr als 100.000 Menschen gewesen sein - befanden sich auch zahlreiche Apotheker.
Die Reformpläne der Regierung von Ministerpräsident Tsipras sehen unter anderem Kürzungen von neuen Renten um 15 Prozent und erhebliche Einbußen bei Freischaffenden und Landwirten vor.
Letztere wollen ihre wochenlangen Proteste nun verstärken: Zusätzlich zu den bestehenden rund 130 Blockaden wichtiger Verbindungsstraßen des Landes wird auch das Schienennetz lahmgelegt, zudem wollen die Landwirte das Athener Stadtzentrum von Freitag an mindestens zwei Tage blockieren.
Auch wenn die Protestierenden Notfälle laut Medienberichten bisher passieren ließen, so befürchten viele Probleme im Zugang zu Gesundheitsleistungen.
Angstzustände verbreitet
Besonders dramatisch scheint die Situation vor dem Hintergrund der zunehmenden Gesundheitsfolgen der seit mehr als fünf Jahren andauernden Krise. Jeder zweite Grieche leidet einer aktuellen Studie des Athener Meinungsforschungsinstituts GPO zufolge unter Angstzuständen, innerer Unruhe und Unsicherheit.
Auch die Zahl der Depressionskranken stieg in Folge der andauernden Krise, wie Medien berichteten. Das Institut hatte im Laufe des vergangenen Jahres im Auftrag der Nationalen Bildungseinrichtung für Gesundheit (Esdy) 4000 Menschen befragt.
Den Ergebnissen zufolge konnte ein Drittel der Befragten offene Rechnungen nicht begleichen oder Schulden nicht abzahlen. In jener Gruppe sei die Selbsteinschätzung der persönlichen Gesundheit besonders schlecht, teilte GPO mit. Hinzu komme, dass 25 Prozent der Befragten sich aus wirtschaftlichen Gründen weder ärztliche Untersuchungen noch Therapien leisten könnten.
Für sie sind Sozialkliniken, meist von Ehrenamtlichen betrieben, oft die letzte Anlaufstelle. "Die Lage verschlimmert sich immer weiter", sagte Christos Sideris von der Sozialklinik Elliniko im gleichnamigen Athener Stadtteil jüngst im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Langfristig könnten die geplanten Reformen die Lage womöglich weiter verschärfen, befürchtet er. Im Durchschnitt wendeten sich aktuell rund 1100 Patienten pro Monat an die Sozialklinik, die sich keine private Gesundheitsversorgung leisten können und - etwa aufgrund andauernder Arbeitslosigkeit - aus der staatlichen Einheitsversicherung EOPYY ausgeschieden sind.