Regierung plant

Gesundheits-Checks für alle!

Kampf den Volkskrankheiten: Die Bundesregierung will mit einem Präventionsgesetz Diabetes, Depression und Brustkrebs eindämmen. Die Ärzte sollen dabei eine Schlüsselrolle einnehmen. Für die Opposition sind die Pläne "viel Wind um nichts".

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Gesundheitscheck bei einer Patientin: Im Anschluss an die Untersuchung sollen Ärzte, wenn nötig, zu Präventionsmaßnahmen raten.

Gesundheitscheck bei einer Patientin: Im Anschluss an die Untersuchung sollen Ärzte, wenn nötig, zu Präventionsmaßnahmen raten.

© Peter Atkins / fotolia.com

BERLIN. Das Präventionsgesetz der Regierung, das das Kabinett am Mittwoch berät, wird das anschließende parlamentarische Verfahren nicht geräuschlos durchlaufen. Das haben die ersten harschen Reaktionen deutlich gemacht.

"Viel Wind um nichts," sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Professor Karl Lauterbach, der "Ärzte Zeitung". Bei den Hochrisikogruppen komme kaum etwas an.

Das zusätzliche Geld für die rund eine Million Menschen der Höchstrisikogruppen mache lediglich einen Euro je Monat für Vorsorge aus. Das sei zu wenig.

Regierungskoalition braucht fremde Hilfe

Die schwarz-gelbe Koalition ist auf die Zustimmung des von SPD, Grünen und Linken dominierten Bundesrats angewiesen.

"Wir sind zuversichtlich, den Bundesrat von diesem Gesetz zu überzeugen. Die Länder wissen, dass das Gesetz Maßnahmen voranbringt, die sonst nicht voran kämen", sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Montag.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Opposition und die Länder hier Verbesserungen aufhalten wollen. Sie müssten sonst den Bürgern erklären, dass sie etwas Gutes aufhalten und blockieren."

Verpflichtende Gesundheitsvorsoge

Erstmals könnte es in Deutschland ein Präventionsgesetz geben. Es soll die Kassen auf Gesundheitsvorsorge in sozialen Brennpunkten, in Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten verpflichten. Zudem soll ihnen vorgeschrieben werden, die nationalen gesundheitsziele zu erreichen.

Mindestens sechs Euro je Versicherten sollen die Kassen ab 2014 für die Prävention ausgeben. "Wir verpflichten die Kassen, nur noch Geld auszugeben, das Erfolg bei der Prävention verspricht", sagte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Montag.

"Die Kassen geben viel zu viel Geld aus für individuelle Gesundheitsförderung. Dieses Geld fehlt dann für die betriebliche Gesundheitsförderung oder für Maßnahmen im sozialen Umfeld, in Schulen und sozialen Brennpunkten."

Prävention - nicht nur als Marketinginstrument

Der Gesetzentwurf sieht eine Steuerung der Geldflüsse vor. Der Fokus soll auf der Prävention des Diabetes mellitus Typ 2, der Depression und der Senkung der Brustkrebssterblichkeit liegen.

Mit zwei Euro je Versicherten liegt der Schwerpunkt auf der Förderung der betrieblichen Gesundheitsvorsorge.

Für CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn ist ein Anfang gemacht, weg vom Fitness-Gutschein für ohnehin Gesundheitsbewusste und hin zur Vorsorge in den Lebensumfeldern der Menschen zu gehen.

"Mir ist lieber, wir fangen jetzt mit konkreten Punkten an, als dass wir uns ständig über das Große und Ganze auseinandersetzen", sagte Spahn.

"Mit diesem Gesetzentwurf ist die Gefahr nicht gebannt, dass Kassen die Prävention weiterhin als Marketinginstrument nutzen", kommentierte dagegen KBV-Pressesprecher Dr. Roland Stahl den Entwurf.

Maria Klein-Schmeink von den Grünen kritisierte, dass die Regierung weiterhin auf finanzielle Anreize und ärztliche Präventionsempfehlungen sowie mehr Früherkennung setze. Damit erreiche sie weiter nur diejenigen, die schon heute häufig zum Arzt gingen.

Die Linken-Politikerin Martina Bunge sprach von einem "Anti-Präventionsgesetz".

Ärzte sollen Präventionslotsen werden

Ärzte und Betriebsärzte sollen zu Präventionslotsen werden, heißt es im Gesetzentwurf. "Wir wollen den Menschen nichts vorschreiben, sondern die Eigenverantwortung stärken," sagte Bahr.

Künftig sollen alle Versicherten einen Anspruch auf eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung haben. Bisher konnten nur über 35-Jährige alle zwei Jahre den "Check-up 35" wahrnehmen.

Dabei sollen Ärzte die Belastungen und Risiken des Einzelnen wie etwa Übergewicht, Rauchen oder Stress in den Blick nehmen und auf dieser Basis zu Präventionsangeboten der Kassen raten.

Ärzten soll dadurch kein zusätzlicher Aufwand entstehen, sie sollen aber auch nicht mehr Geld bekommen. Für die Gesundheitsuntersuchung sieht der Einheitliche Bewertungsmaßstab 26 Minuten vor - "großzügig bemessen" und ausreichend, heißt es im Entwurf.

Zudem sollen Gesundheitsuntersuchungen auf Kinder bis zum Alter von zehn Jahren ausgedehnt werden.

KBV kritisiert Entwurf

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kritisierte den Entwurf. "Ärzte werden nicht genug gestärkt", sagte KBV-Sprecher Stahl.

Die KBV würde Leistungen zur Primär- und Tertiärprävention - also Maßnahmen, um Krankheiten vorzubeugen oder den Verlauf und die Beeinträchtigung zu lindern - lieber kollektivvertraglich regeln.

Um Volkskrankheiten wie Diabetes, Adipositas oder Krebs zurückzudrängen, sollen die Kassen mehr Geld für Präventionsangebote ausgeben - insgesamt bis zu 180 Millionen Euro. 2011 und 2012 hatten die Kassen jeweils rund 1,7 Milliarden Euro für Prävention und Impfungen ausgegeben.

Boni für Unternehmen

Mit den Firmen sollen Kassen spezielle Gruppentarife aushandeln. Bei Erfolg soll es für Unternehmen und Mitarbeiter Boni geben.

Der Verband der privaten Krankenversicherung sieht damit sein Geschäftsfeld berührt. Es fehle an Trennschärfe, was Teil der betrieblichen Gesundheitsförderung sein darf und was nicht.

Außer in Betrieben will die Regierung in weiteren Lebensräumen wie Kindertagesstätten, Schulen und Sportstätten Gesundheitsförderung stärken. Jährlich sollen die Kassen dazu einen Euro pro Versicherten ausgeben.

Rund 35 Millionen Euro erhält zusätzlich die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, um Projekte vor Ort zu fördern und Vorsorgeangebote bei Arbeitslosen oder Menschen mit Migrationshintergrund bekannt zu machen.

Um die Gesundheitsförderung künftig weiterzuentwickeln, wird beim Bundesgesundheitsministerium eine Ständige Präventionskonferenz eingerichtet. Darin sollen Vertreter von Bund, Ländern, Leistungserbringern und -trägern sitzen.

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