Beratung für sozial Benachteiligte
Gesundheitskioske: Auch Apotheker beteiligen
Geht es nach dem Willen der Ampel-Koalition, wird es mit dem Gesundheitskiosk ein neues Beratungsangebot geben. Hier wollen die Apotheker aktiv einbezogen werden.
Veröffentlicht:Berlin. Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplanten 1.000 Gesundheitskioske sollten nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden. Vielmehr müsse es einen klaren Zuschnitt auf sozial benachteiligte Regionen geben. Das forderte der Teamleiter Versorgungsinnovationen der AOK Rheinland/Hamburg, Felix Maul, am Samstag bei einer Tagung des „Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten“ in Berlin. Vor einem Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes müssten die Kriterien für die Verteilung der Gesundheitskioske klar festgelegt werden.
Gesundheitskioske sollen niedrigschwellige Anlaufpunkte sein, die Menschen mehrsprachig in medizinische Angebote vermitteln. Die von Pflegekräften geleiteten Einrichtungen sollten daneben Dienstleistungen wie Blutdruckmessungen oder Blutzuckermessungen und medizinische und soziale Beratungen anbieten. „Es geht nicht darum, zusätzliche Angebote zu schaffen, sondern die Menschen in die bestehenden Angebotsstrukturen zu lenken“, sagte Haul. „Wir können nur in die bestehenden Strukturen vermitteln.“
Haul: Apotheker haben mehr drauf, als Ärzte denken
Die Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, Kerstin Kemmritz, sprach sich für eine stärkere Einbindung von Apothekern in die geplanten Gesundheitskioske aus. „Man könnte überlegen, ob es nicht sogar verpflichtend sein müsste, Apotheker in Gesundheitskioske und Primärversorgungszentren einzubinden“, sagte Kemmritz. Die Hamburger Apothekerin Sabine Haul, die in Hamburg an einem Gesundheitskiosk beteiligt ist, sagte, Apotheken seien prädestinierte Einrichtungen, um den medizinischen Bedarf von Menschen zu erkennen. Sie könnten Patienten an Gesundheitskioske weiterleiten. Sie erlebe schon heute Menschen, die mit ihren gesundheitlichen Problemen als erste in die Apotheke kommen. „Wir erleben, dass die Gesundheitswissenschaftler die Apotheker gar nicht auf dem Schirm haben“, sagte Haul.
Apotheker seien für Medikationsanalysen besonders ausgebildet. „Es ist ein Riesengewinn für die Ärzte, wenn sie von mir eine Übersicht bekommen, welche Medikamente ein Patient eigentlich nimmt.“ Vor allem nach Klinikaufenthalten, so ihre Erfahrung. „Es kommt ganz oft vor, dass ein Patient, der ein Krankenhaus verlässt, zu Hause seine alten Medikamente weiter nimmt – was dann zu Problemen führt.“
Besser Primärversorgungszentren wie in Österreich?
Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, Dr. Thomas Zimmermann, sprach sich für die Schaffung von Primärversorgungszentren nach österreichischem Vorbild aus. „Wir haben nicht zu wenige Ärztinnen und Ärzte im Land – wir haben ein Verteilungsproblem“, sagte Zimmermann. Deutschlandweit seien rund 3.000 Arztsitze für Allgemeinmedizin und innere Medizin nicht vergeben.
Ein Problem sei allerdings, dass ärztliche Weiterbildung fast nur in Krankenhäusern der Maximalversorgung durchgeführt werde. „Dort sehen Sie etwa in der Gynäkologie die abgefahrensten Versorgungstherapien“, sagte Zimmermann. „Wer aber als Gynäkologe in die ambulante Versorgung geht, beschäftigt sich zu 50 Prozent mit der Verschreibung der Pille und allgemeinen Beratungen, auf die er in der Weiterbildung nicht vorbereitet wurde.“