Kommentar
Gesundheitssysteme brauchen Schutz
Die französische Regierungskrise zeigt: Jetzt müssen auch europäische Gesundheitssysteme politisch resilient sein.
Veröffentlicht:Seit dem Ampel-Aus warnen viele Experten vor den Folgen eines Stillstandes in der deutschen Gesundheitspolitik und vor der Verzögerung vieler notwendiger Reformen. Genau das könnte Frankreich in den nächsten Tagen erleben, obwohl das Land dringend die Finanzierbarkeit seines Gesundheitsystems sichern soll. Jedoch sind Deutschland und Frankreich nicht die einzigen Staaten Europas, die trotz politischer Turbulenzen ihre Gesundheitsysteme weiter reformieren müssen.
Das stark regionalisierte Kassensystem Belgiens erinnert gleichzeitig an die französischen und deutschen Gesundheitssysteme. Obwohl das Land seit dem 9. Juni nur noch durch eine Übergangsregierung ohne parlamentarische Mehrheit regiert wird und seinen Haushalt für das nächste Jahr immer noch nicht verabschieden konnte, setzen Belgiens politische Parteien und Gesundheitsexperten ihre Gespräche fort, um das Gesundheitssystem zu modernisieren und zu optimieren. Tatsache ist, dass Belgien seit Jahren gewohnt ist, auch ohne Regierung zu funktionieren, eine Erfahrung, die es schon 2010-2011 sowie 2019-2020 je mehr als 500 Tage lang erlebt hat.
In Frankreich wird eine „Kultur des Kompromisses, wie sie in vielen Nachbarländern praktiziert wird, gelobt und beneidet. In der immer noch stark zentralisierten „republikanischen Monarchie“ Frankreich ist diese aber undenkbar.
Auch in Deutschland, so heißt es zumindest bei französischen Deutschlandkennern, werden Gespräche und Verhandlungen die negativen Folgen des Stillstandes im Gesundheitswesen lindern. Sicher ist aber auch, dass das Wunderwort „Resilienz“, das in allen europäischen Gesundheitskreisen seit einigen Jahren ständig zu hören ist, jetzt nicht nur für Stärke bei Epidemien oder Engpässen steht, sondern auch eine neue politische Bedeutung bekommen hat.