Umfrage unter Ärzten
Gröhes Pläne taugen nichts!
Versorgungsstärkungsgesetz - nein, danke! Sowohl Haus- als auch Fachärzte halten Gröhes Gesetzentwurf schlichtweg für untauglich. Das zeigt eine Umfrage.
Veröffentlicht:BERLIN. Es sind nicht nur die Funktionäre der KBV, der KVen und der Ärzteverbände, die - mit Ausnahme des Hausärzteverbandes - das geplante Versorgungsstärkungsgesetz verreißen.
Auch die ärztliche Basis hält von den Instrumenten zur Versorgungsstärkung, die das Bundesgesundheitsministerium entwickelt hat, wenig. Durchweg nicht tauglich - das ist der Tenor der Ergebnisse einer aktuellen Umfrage.
Durchgeführt wurde die Studie im Rahmen des CGM Healthmonitor in einer Kooperation von Compugroup Medical und der "Ärzte Zeitung" Ende November.
Insgesamt 445 Ärzte - darunter 223 Hausärzte und 222 Fachärzte - haben sich daran beteiligt. Somit können die Ergebnisse als weitgehend repräsentativ für die niedergelassenen Ärzte in Deutschland gelten.
Förderung der Weiterbildung
Nur unter einem Aspekt dürfen sich die Gesundheitspolitiker der großen Koalition im Urteil der Ärzte bestätigt sehen: Mehr als drei Viertel der niedergelassenen Mediziner bewerten das Vorhaben der Koalition, die allgemeinmedizinische Weiterbildung stärker und konsequenter zu fördern, positiv.
Geplant ist, die geförderte Stellenzahl auf 7500 aufzustocken, die Vergütungsbedingungen der Weiterbildungsassistenten in den Praxen sollen denen in Krankenhäusern entsprechen.
Naturgemäß halten vor allem Hausärzte dieses Vorhaben für richtig: Fast 90 Prozent stimmen zu. Aber auch unter den Fachärzten ist das Projekt Allgemeinmedizin kaum umstritten: Knapp 64 Prozent sind dafür, nur ein knappes Viertel dagegen.
Deutlich zurückhaltender ist freilich die Einschätzung, was die Wirksamkeit dieses Instruments angeht: Da sind nur noch 56 Prozent der Hausärzte davon überzeugt, ob die Weiterbildungsförderung die hausärztliche Versorgung wirksam sichert, 28 Prozent glauben nicht daran, 15 Prozent wissen es nicht.
Noch skeptischer ist die Haltung der Fachärzte: Nur ein knappes Drittel glaubt an die Wirksamkeit, fast 40 Prozent bezweifeln das, und 28 Prozent sind unsicher.
Die Mehrheit der Ärzte findet, dass auch die fachärztliche Versorgung gefördert werden sollte: insgesamt 64 Prozent. Naturgemäß sehen 83 Prozent der Fachärzte hier eine Lücke in der Reform.
Terminservice-Stellen werden abgelehnt
Kein gutes Haar lassen die Befragten an den von der Koalition geplanten Terminservice-Stellen: Nur zwölf Prozent der Hausärzte und vier Prozent der Fachärzte halten sie für ein wirksames Instrument - neun von zehn Ärzten sehen darin kein Problemlösungspotenzial.
Dafür führen die Befragten inhaltliche Argumente an: Nur der überweisende Arzt kann die medizinische Dringlichkeit eines Facharzt-Termins beurteilen, sagen 97 Prozent der Hausärzte und 90 Prozent der Fachärzte.
Und: Zumindest in den dringenden Fällen sind unangemessene Wartezeiten auf den Facharzt-Termin die absolute Ausnahme. Denn bei einer solchen Konstellation kümmern sich der überweisende Arzt oder sein Praxisteam selbst um den Termin beim Facharzt: Das sagen 93 Prozent der Haus- und 95 Prozent der Fachärzte.
Und neun von zehn Ärzten haben ihre Praxis so organisiert, das in medizinisch dringenden Fällen die Behandlung unverzüglich erfolgen kann. Das behaupten 95 Prozent der Fachärzte von sich und 81 Prozent der Hausärzte.
Gar nichts halten die Ärzte davon, dass Patienten, denen kein Termin beim niedergelassenen Facharzt vermittelt werden kann, Anspruch auf ambulante Behandlung im Krankenhaus bekommen sollen. 81 Prozent der Fachärzte und 68 Prozent der Hausärzte sind dagegen.
In einem anderen Punkt, den das geplante Gesetz neu regelt, geht die Meinung von Haus- und Fachärzten allerdings weit auseinander: den künftig möglichen fachgleichen MVZ. Vor allem Hausärzte sehen darin eine Chance, 63 Prozent halten das für ein richtiges Instrument.
Bei den Fachärzten sind es nur 29 Prozent. Offenbar sehen sie eine größere Notwendigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit unter einem Dach.
Gespaltenes Urteil zu besonderen Versorgungsformen
Nicht ganz so groß sind die Differenzen in der Frage, ob auch Kommunen künftig Träger von MVZ sein sollen. Ein Drittel der Hausärzte hält dies für richtig, bei den Fachärzten sind es nur 15 Prozent.
Insgesamt rund zwei Drittel der Ärzte lehnen eine solche Trägerschaft ab - möglicherweise auch deshalb, weil sie wettbewerbsverzerrende Subventionen zugunsten kommunaler MVZ befürchten.
Nur ganz wenig Zustimmung und überwiegende Ablehnung findet der Plan der Koalition, mit einer Soll-Bestimmung die KVen stärker in die Pflicht zu nehmen, Praxissitze in überversorgten Gebieten aufzukaufen und stillzulegen, wenn ein freiberuflicher Vertragsarzt in den Ruhestand geht.
Drei Viertel der niedergelassenen Ärzte sind dagegen, 84 Prozent bei den Fachärzten, 64 Prozent bei den Hausärzten. 83 Prozent der Ärzte sehen darin einen Eingriff in ihre Eigentumsrechte; bei den Fachärzten sind es 86 Prozent und bei den Hausärzten 80 Prozent.
Uneinheitlich und eher gespalten ist das Urteil der befragten Ärzte über die neuen Bedingungen besonderer Versorgungsformen, also der hausarztzentrierten Versorgung, der besonderen fachärztlichen Versorgung und der integrierten Versorgung.
Die vom Gesetzgeber geplante Erleichterung, wonach besondere Versorgungsformen ihre Wirtschaftlichkeit erst nach vier Jahren (bislang für die HzV: nach einem Jahr) nachweisen müssen, halten 46 Prozent der Hausärzte für richtig, bei den Fachärzten sind es nur 21 Prozent. Fast einem Viertel der Befragten fällt es schwer, dies derzeit zu beurteilen: Sie hatten sich dazu keine Meinung gebildet.
Ähnliches gilt für den Innovationsfonds, eine der echten Neuerungen im Gesetz. 300 Millionen Euro sollen dafür jährlich extrabudgetär aus dem Gesundheitsfonds den Kassen zur Verfügung gestellt werden: drei Viertel des Geldes soll verwendet werden, um Mehrleistungen innovativer Versorgungsformen zu vergüten, ein weiteres Viertel fließt in die Versorgungsforschung.
Aber es gibt beträchtliche Zweifel, ob auf diese Art und Weise tatsächlich die Kreativität der Akteure im Gesundheitswesen gefördert wird: Jeder zweite Facharzt glaubt nicht daran, knapp 40 Prozent der Hausärzte sind skeptisch. Auch hier ist der Anteil der Ärzte, die sich noch kein Urteil haben bilden können, mit 22 Prozent relativ hoch.
Innovationsfonds verpufft
Eine ziemlich starke Mehrheit von 72 Prozent - bei Haus- und Fachärzten gleichermaßen - glaubt vielmehr, dass die geplante Förderung von Innovationen verpuffen und unwirksam bleiben wird. Nur etwa zwölf Prozent der niedergelassenen Ärzte sind gegenteiliger Meinung.
Möglicherweise hat dies auch mit der Organisation des Innovationsfonds und der Art und Weise der Mittelvergabe zu tun. Denn geplant ist, dass beim Gemeinsamen Bundesausschuss unter Beteiligung des Bundesgesundheitsministeriums ein Fachausschuss gebildet wird, der über förderwürdige neue Versorgungsformen und Versorgungsforschungsprojekte entscheiden soll.
Innovation, beurteilt und bewertet vom grünen Tisch der Ministerialbeamten und Funktionäre - das ist zu zentralistisch und bürokratisch, sagen 80 Prozent der Ärzte.
CGM Healthmonitor
In regelmäßigen Abständen befragt die Marktforschung von Compugroup Medical (CGM) im Rahmen seines Healthmonitors Ärzte zu gesundheitspolitischen Themen.
An der jüngsten Umfrage Ende November zum Versorgungsstärkungsgesetz nahmen 445 Ärzte, darunter 223 Haus- und 222 Fachärzte teil.
Compugroup Medical ist eines der führenden eHealth-Unternehmen weltweit und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 500 Mio. Zu ihren Kunden zählen 400.000 Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, Apotheker und Netze sowie sonstigen Leistungserbringer.