Kehrtwende der Johnson-Regierung
Großbritannien: Impfpflicht im Gesundheitswesen kurzfristig gekippt
Eigentlich sollte – ähnlich wie in Deutschland – in Großbritannien zum 1. April eine Corona-Impfung für Gesundheitsberufe obligatorisch werden. Jetzt ist das Vorhaben auf Eis gelegt worden.
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Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid hat die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die zum 1. April starten sollte, als „nicht länger verhältnismäßig“ bezeichnet. Toby Melville/ASSOCIATED PRESS/p
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London. Mit Erleichterung haben britische Berufsverbände auf die Kehrtwende bei der Impfpflicht für Mediziner und Pflegekräfte reagiert. Eigentlich sollte spätestens am 1. April eine berufsbezogene Corona-Impfpflicht für den staatlichen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) eingeführt werden. Doch das wurde vom Londoner Gesundheitsministerium quasi in letzter Minute gekippt.
Wie der britische Gesundheitsminister Sajid Javid im Londoner Unterhaus sagte, sei die Einführung einer berufsbezogenen Impfpflicht für Ärzte, Pfleger und andere Gesundheitsberufe „nicht länger verhältnismäßig“. Infektionszahlen gingen weiter zurück und auch die Auslastung der NHS-Intensivmedizin sei „relativ gering“ und „normal“, so der Gesundheitsminister.
Umstritten von Anfang an
Die verpflichtende Impfung für medizinische Berufsgruppen sowie diverse andere Berufsgruppen war von Beginn an sowohl in der Regierung als auch in der Öffentlichkeit und bei ärztlichen Berufsverbänden heftig umstritten und stieß vielerorts auf Ablehnung. Der ursprüngliche Plan der Regierung war, dass NHS-Beschäftigte nach dem 1. April nur noch dann arbeiten dürfen, wenn sie vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind. Das ist nun nicht länger der Fall und dürfte auch in Deutschland für neuen Diskussionsstoff sorgen.
Beobachter im Königreich werten das Fallenlassen der berufsbezogenen Impfpflicht im NHS auch als einen wichtigen Schritt auf dem Weg „zurück zur Normalität“ (Javid). Kürzlich hatte die Regierung Johnson die meisten Corona-Beschränkungen aufgehoben und dies mit dem Slogan „Living with COVID“ verkauft.
Berufsverbände begrüßen den Schritt
Britische Berufsverbände reagierten überwiegend positiv auf den Schritt. Sie hatten von Anfang an Bedenken gegen die Impfpflicht. Diese komme nicht nur einem Berufsverbot für Impfunwillige gleich, sondern sie werde auch die ohnehin dünne Personaldecke im britischen Gesundheitswesen weiter ausdünnen, hieß es.
Die wichtigste Berufsorganisation für Ärztinnen und Ärzte im Königreich (British Medical Association, BMA) bezeichnete die Aufhebung der Impfpflicht als „richtig“ und sprach von einem „Sieg der Vernunft“. Die BMA – sie vertritt die Interessen von mehr als 100 .000 Ärzten – hatte vor einem Ärztemangel gewarnt, sollte eine Impfpflicht kommen. 92 Prozent aller NHS-Beschäftigte haben laut Gesundheitsministerium bisher mindestens zwei Impfdosen erhalten.