Gesundheitsreform
Großbritannien: Weniger Bürokratie, mehr Geld für Arztpraxen
Die britische Labour-Regierung plant, 9.000 Stellen in der Gesundheitsverwaltung abzubauen. Die Organisation des National Health Service soll verstärkt direkt aus dem Gesundheitsministerium gesteuert werden.
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Das eingesparte Geld soll direkt in die Patientenversorgung fließen, versprach Premierminister Keir Starmer bei der Vorstellung seiner Reformpläne.
© Oli Scarff/ASSOCIATED PRESS/picture alliance
London. Millionen mehr für Arztpraxen und Kliniken bezahlt von massiven Einsparungen in der Verwaltung – in Großbritannien wird die Gesundheitspolitik derzeit neu ausgerichtet. Premierminister Keir Starmer kündigte an, die administrativ tätige Organisation NHS England abzuschaffen, um das eingesparte Geld stattdessen direkt in die Patientenversorgung zu investieren. Es ist die größte Veränderung im britischen Gesundheitsdienst seit Jahrzehnten.
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NHS England ist quasi das Managementteam des staatlichen britischen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS). Mehr als 90 Prozent des jährlichen NHS-Etats in Höhe von umgerechnet mehr als 210 Milliarden Euro wird von dieser Organisation verwaltet. NHS England beschäftigt rund 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Umbau soll 500 Millionen Pfund pro Jahr sparen
In Zukunft sollen sowohl der Gesundheitsetat und die primär- und fachmedizinische Patientenversorgung als auch die meisten anderen NHS-Versorgungsangebote direkt vom Gesundheitsministerium verwaltet werden. Das war bereits bis in den 90er Jahre der Fall, bevor das System unter der damals konservativen Regierung massiv umgebaut wurde.
Der jüngste Umbau und die Neuausrichtung würden „mindestens 500 Millionen Pfund jährlich“ (umgerechnet rund 596 Millionen Euro) einsparen, so Premierminister Keir Starmer bei der Vorstellung seiner Pläne. Rund 9.000 Stellen in der Gesundheitsverwaltung sollen dem Rotstift zum Opfer fallen.
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Dieses Geld solle stattdessen „direkt in die Patientenversorgung“ in Hausarztpraxen und Kliniken fließen, darunter ein Großteil der eingesparten Summe in die Kliniken und den Abbau der NHS-Wartelisten. Laut Starmer warten in England derzeit rund 7,4 Millionen Patientinnen und Patienten auf eine Operation beziehungsweise auf eine fachärztliche Konsultation oder andere Behandlung.
Einzelne Vorbehalte aus der Ärzteschaft
Dass die zusätzlichen knapp 600 Millionen Euro dringend benötigt werden, zeigt auch folgende Zahl: im vergangenen Jahr warteten rund 554.000 Patienten vier Stunden oder länger in den staatlichen Notaufnahmen auf einen Erstkontakt mit einem Arzt. Auch dies war ein trauriger Rekord.
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Interessant sind die ersten Reaktionen der Medizinberufe auf diese gesundheitspolitische Kehrtwendung. Zwar werden die Maßnahmen überwiegend begrüßt, doch es gibt auch vereinzelt Vorbehalte innerhalb der Ärzteschaft. „Wir verlangen seit vielen Jahren einen Abbau der NHS-Bürokratie und stattdessen mehr Geld für die Patientenversorgung“, so ein Sprecher des größten britischen Ärztebundes (British Medical Association, BMA).
Auch andere ärztliche und fachärztliche Berufsorganisationen lobten grundsätzlich den Bürokratieabbau und die Tatsache, dass das so eingesparte Geld zukünftig direkt in die Patientenversorgung fließen soll. Aber: „Die Gefahr ist groß, dass ein derart massiver Umbruch in relativ kurzer Zeit die Patientenversorgung massiv stören könnte“, so die BMA.