Coronavirus

Hamburger Arztruf wegen „besorgter Bürger“ kurz vor dem Kollaps

Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 besorgt offenbar immer mehr Bürger – so auch in Hamburg. Die 116117 ist mit 20.000 Anrufen pro Tag völlig überlastet. Jetzt droht auch noch die Schutzkleidung auszugehen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Schild an einer Arztpraxis in Hamburg: Tausende rufen in der Hansestadt mittlerweile täglich die 116117 an.

Schild an einer Arztpraxis in Hamburg: Tausende rufen in der Hansestadt mittlerweile täglich die 116117 an.

© Bodo Marks/dpa

Hamburg. Hamburg gilt mit über 300 getesteten COVID-19-Infizierten (Stand 17. März) bei rund 1,8 Millionen Einwohnern als das deutsche Corona-Epizentrum. Nun droht die Besorgnis vieler Hamburger die ambulanten Kapazitäten in der Hansestadt zu sprengen.

Insbesondere der Arztruf 116117 ist mit bis zu 20.000 Anrufversuchen pro Tag derzeit völlig überlastet. Ein weiteres Problem: Bei unveränderter Inanspruchnahme geht dem fahrenden Dienst und den Praxen bis zum Wochenende die Schutzausrüstung aus.

Vermeiden ließe sich beides – wenn nur noch die Hamburger bei der 116117 Hilfe suchen, die sie auch brauchen.

Weil die Zeit drängt, beraumte die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) am Dienstag kurzfristig eine Pressekonferenz an. KV-Chef Walter Plassmann berichtete von 25-fach mehr Anrufen auf der 116117 als üblich. Bei rund 20.000 Anrufversuchen haben nach seiner Schätzung rund 4500 Menschen täglich Unterstützung beim Arztruf gesucht.

Schutzkleidung droht auszugehen

„Das können wir auch bei aufgestockten Kapazitäten nicht bewältigen“, stellte Plassmann klar. Und: Selbst wenn noch mehr geschulte Kräfte die Anrufe entgegennähmen, folgten weitere Engpässe: Die mit den Anrufen ausgelösten fahrenden Dienste sind nicht beliebig auszubauen.

Derzeit befinden sich rund 20 Autos des Fahrdienstes auf Hamburgs Straßen, sie fahren 500 Einsätze täglich. Ärzte, Fahrer und Fahrzeuge sind begrenzt – besonders aber die Schutzkleidung. Masken, Kittel und Handschuhe werden knapp.

Nach Angaben Plassmanns wird bei unveränderter Inanspruchnahme die Schutzkleidung schon am Wochenende ausgehen. „Dann gehen alle Patienten ins Krankenhaus, dann rutscht alles weg. Deshalb müssen wir funktionsfähig bleiben“, appellierte Plassmann am Dienstag.

Gelingen soll dies zum einen über Nachschub: Schutzkleidung ist bestellt, bestätigt und bezahlt – nur bislang noch nicht eingetroffen. Plassmann wartet nun dringend auf Lieferung und auf Unterstützung von staatlicher Seite.

116116 für Risikogruppen freihalten

Zum anderen müsse sich das Verhalten der Hamburger ändern. Funktionsfähig bleiben könne das ambulante System nur, wenn die Menschen sich vorher informieren, an wen sie sich mit welchem Problem wenden müssen. Solche allgemeinen Informationen könnten die Bürger etwa auf der Website des Arztrufs (www.116117.de) erhalten.

„Die Nummer 116117 ist denjenigen vorbehalten, die aus einem Risikogebiet kommen oder Kontakt mit einem nachweislich positiv getesteten Menschen hatten und Erkältungssymptome aufweisen“, stellte Plassmann klar.

Menschen, die nicht aus einem Risikogebiet gekommen sind, keinen Kontakt zu einem positiv getesteten Menschen hatten und symptomfrei sind, sollten überhaupt keine Testung in Anspruch nehmen, weil sonst die Kapazitätsgrenze der Labore überschritten werde.

Hinzu kommt, dass auch die Arztpraxen durch besorgte Menschen überlastet werden – zulasten Kranker. „Die Menschen sind genauso krank wie vor der Corona-Krise“, sagte Dr. Dirk Heinrich. Der Vorsitzende der Hamburger Vertreterversammlung sorgt sich insbesondere um die chronisch Kranken, deren Versorgung durch ein überlastetes ambulantes Gesundheitssystem nicht mehr zu leisten sei.

Neue Angebote für nicht Erkrankte

Die KV rückte auch die Verhältnisse zurecht: Zwar gab es Dienstagmittag bereits 312 bestätigte infizierte Patienten in der Stadt, von denen sich aber nur zehn in stationärer Obhut befinden und davon sechs auf Intensivstationen.

Zuvor waren Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher und Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (beide SPD) vor die Presse getreten und hatten für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen aufgerufen.

Sie kündigten an, dass ein neues Angebot für Menschen ohne Krankheitssymptome zur Entlastung der 116117 aufgebaut wird. Für diese Personengruppe sollen in den kommenden Tagen bis zu sieben zusätzliche Testangebote in Zusammenarbeit mit Krankenhäusern entstehen.

Die Testungen sollen in der Nähe zu medizinischen Einrichtungen unter freiem Himmel stattfinden, sodass die Krankenhäuser nicht betreten werden. Da die Betroffenen keine Symptome haben, muss bei negativem Ergebnis der Test selbst gezahlt werden.

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