Kommentar
Heilt eine Fettsteuer die Unvernunft?
Der Alarmruf der Diabetes-Organisationen in Deutschland hat eine starke Berechtigung. Adipositas und Diabetes sind eine Bedrohung für die Volksgesundheit, mit millionenfachem Leid, mit Milliarden-Folgekosten. Mehrere Koalitionen haben dem wachsenden Problem hilf- und tatenlos zugesehen. Prävention blieb bislang eine Sache von Sonntagsreden.
Allerdings: Wirksame Prävention ist schwierig. Und einfache Lösungen gibt es nicht. Das gilt insbesondere für die Vorstellung, mit einer Steuer auf fetthaltige und gesüßte Lebensmittel Ernährungsverhalten wirksam beeinflussen zu können.
Im Unterschied zum Tabak, der schon in kleinen Portionen gefährlich ist, gibt es keine ungesunden Nahrungsmittel an sich. Butter, Sahne, Camembert mit 60 Prozent i. Tr. oder auch Schokolade und Pralinen sind, in Maßen genossen, nicht ungesund.
Gesunde Ernährung ist, ganz unideologisch betrachtet, eine Frage der Menge und der Vielfalt. Welche Lebensmittel sollte man also konkret besteuern? Schon jetzt besteht heilloses Wirrwarr bei der Differenzierung zwischen voller und ermäßigter Umsatzbesteuerung.
Das zweite Problem: Wie sollte die Steuer konstruiert sein? Der Vorschlag, den vollen Mehrwertsteuersatz auf stark gesüßte und fetthaltige Produkte zu erheben, geht fehl. Aus einem einfachen Grund: Fett ist billig. Bestraft wird, wer hochwertiges Olivenöl für den Salat nimmt.
Ein zehn Prozent höherer Preis für Billig-Fett vom Discounter, in dem die Pommes gebacken werden, dürfte hingegen kaum spürbar sein. Genau das wäre aber gesundheitspolitisch kontraproduktiv, weil Verbraucher erfahrungsgemäß zugunsten billiger Lebensmittel substituieren.
Eine wirksame Verhaltensänderung würde eine Steuerbelastung erfordern, die zu einem Aufschrei führen würde - und sozialpolitisch nicht mehr vertretbar wäre. Man vergegenwärtige sich das Beispiel der Tabaksteuer.
Der Steueranteil bei Fertigzigaretten liegt inzwischen in der Größenordnung von 60 Prozent des Verkaufspreises. Binnen zwölf Jahren ist die Tabaksteuer mehr als verdoppelt worden. Das war wirksam vor allem bei Jugendlichen, unter denen der Anteil der Raucher in den Jahren zwischen 2001 und 2008 von 28 auf 18 Prozent zurückgegangen ist.
Von 2002 bis 2013 ist der Absatz versteuerter Zigaretten von 139 auf 80 Milliarden gesunken. Der tatsächliche Konsum ist aber höher - aufgrund gestiegenen Schmuggels. Auf 22 Milliarden unversteuerte Zigaretten wird der Schwarzmarkt taxiert.
Kann es einen solchen Schwarzmarkt für fette süße Lebensmittel geben? Durchaus. Dänemark hat eine Kaloriensteuer abgeschafft. Es wurde zu viel geschmuggelt.
Lesen Sie dazu auch: Diabetes: Verbände fordern Zucker-Fettsteuer