Off-Label-Use
Hohe Nachfrage nach Semaglutid: Diabetesmedikament wird Mangelware
Beim Diabetesmedikament mit Semaglutid gibt es Lieferengpässe. Apotheker sehen die Ursache darin, dass Ärzte das Präparat zunehmend als Abnehmhilfe verschreiben.
Veröffentlicht:Frankfurt. Weil ein verschreibungspflichtiges Diabetesmedikament vermehrt als Abnehmhilfe genutzt wird, gerät die Versorgung damit ins Stocken.
„Aktuell haben wir einen Lieferengpass bei einem Diabetesmedikament, bei Semaglutiden, weil man gemerkt hat, das kann man auch zum Abnehmen nutzen", sagte David Francas, Professor für Daten- und Lieferkettenanalyse an der Hochschule Worms. „Das wird gehypt und plötzlich hat man einen Off-Label-Use für das Medikament, der auch die Nachfrage treiben kann."
Der GLP-1-Agonist Semaglutid ist in Europa seit 2018 als Diabetes-Medikament Ozempic® zugelassen, um den Blutzuckerspiegel zu senken. Neuer, von Anfang 2022, ist eine Zulassung in der EU speziell mit dem Einsatzgebiet Gewichtsverlust und -kontrolle (Markenname Wegovy®): Gedacht ist es für Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) ab 30, also Adipositas, und für Übergewichtige (BMI ab 27) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung.
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Wegovy® ist in Deutschland bisher aber gar nicht erhältlich, wie der Hersteller Novo Nordisk Pharma auf Anfrage bestätigte. Offenbar wird Abnehmwilligen von Ärzten stattdessen gern mal das Diabetesmedikament Ozempic® verschrieben.
„Es geht nicht an, dass ich ein Anti-Diabetikum verschreibe off-label für jemanden, der abnehmen möchte. Das ist ein Unding, da hab ich doch auch eine Verantwortung als Verschreiber", kritisierte Torsten Hoppe-Tichy, Leiter der Apotheke des Universitätsklinikums Heidelberg, diese Nutzung.
Semaglutid wurde in den vergangenen Monaten in sozialen Netzwerken gehypt, auch weil einige Promis so abgenommen haben sollen. So erwähnte Tech-Milliardär Elon Musk auf die Frage nach dem Geheimnis seines Aussehens neben dem Fasten den Namen der Arznei. Ärzte berichten von verstärkten Nachfragen von Patienten nach dem Mittel.
Studie spricht von 15 Prozent Gewichtsabnahme
In einer Studie verloren Patienten, die begleitend zu Lebensstiländerungen eine Dosis Semaglutid pro Woche erhielten, im Schnitt nach 68 Wochen etwa 15 Prozent Gewicht. Eine Vergleichsgruppe, die ein Scheinmedikament bekam, nahm im gleichen Zeitraum nur gut zwei Prozent ab (N Engl J Med 2021; 384:989-1002).
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) warnte schon Ende 2022 vor Risiken und Nebenwirkungen und „einer von den Zulassungsbehörden nicht freigegebenen, unkontrollierten Anwendung". Eines der Probleme sei, dass eine Lifestyle-Anwendung nicht untersucht sei, hatte DGE-Sprecher Stephan Petersenn erklärt. „Es ist unklar, ob ein übergewichtiger Patient, der aber nicht adipös ist, überhaupt Gewicht verliert."
Auch Nebenwirkungen wie Übelkeit und Durchfall seien möglich. Generell solle die Anwendung eingebettet sein in ein Gesamt-Therapiekonzept mit Ernährung und Sport unter ärztlicher Überwachung. (dpa/eb)