Kein Ergebnis im Tarifstreit
Im Öffentlichen Dienst drohen Warnstreiks – Auch Kliniken betroffen?
4,8 Prozent mehr Lohn fordern die Gewerkschaften für die rund 2,3 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Am Sonntag wurden die Verhandlungen abgebrochen, nun drohen Warnstreiks – die könnten trotz Corona auch Kliniken einschließen.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin/Potsdam. Im Öffentlichen Dienst drohen wegen der weit auseinanderliegenden Positionen im aktuellen Tarifstreit größere Warnstreiks. Nachdem auch die zweite Verhandlungsrunde für die rund 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes am Sonntag ergebnislos geblieben ist, hat die Dienstleistungsgewerkschaft verdi nun Warnstreiks angekündigt.
„Die öffentlichen Arbeitgeber haben sich zwei Runden lang eingemauert. Von Respekt und Anerkennung gegenüber den Beschäftigten war nichts zu spüren. Damit sind Warnstreiks unvermeidlich“, äußert verdi-Chef Frank Werneke am Sonntagnachmittag in einer Mitteilung. Die Gewerkschaft Verdi, dbb Beamtenbund und Tarifunion, die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatten bereits am Samstag in Potsdam die Gespräche über die Einkommen der Beschäftigten von Bund und Kommunen und eine Besserstellung von Fachkräften nach dem Auftakt Anfang September fortgesetzt. Die Arbeitgeberseite habe jedoch auch in dieser Runde kein Angebot vorgelegt, so Werneke. Enttäuscht sei er vom schleppenden Verlauf und der Verzögerungstaktik der kommunalen Arbeitgeber.
Als „besonders skandalös“ nannte er, dass die Ost-West-Angleichung bei der Arbeitszeit erst 2025 verwirklicht werden solle sowie die angestrebte Laufzeit der Tarifvereinbarung bis in das Jahr 2023. Erste Warnstreiks mit regionalem Bezug sollen am Dienstag beginnen.
Die Gewerkschaften fordern 4,8 Prozent mehr Lohn. Den Beschäftigten sollen mindestens 150 Euro mehr pro Monat zugesichert werden. Sie fordern zudem eine Laufzeit von zwölf Monaten, die kommunalen Arbeitgeber wollen eine längere Laufzeit.
Die Gewerkschaft Verdi hatte bereits zuvor Warnstreiks im öffentlichen Dienst für den Fall angekündigt, dass die Arbeitgeber bei den Tarifverhandlungen an diesem Sonntag kein Angebot vorlegen.
Werneke sagte, ein Angebot müsse die Möglichkeit für einen angemessenen und fairen Abschluss eröffnen. Am Samstag habe es stundenlange interne Beratungen der Arbeitgeber gegeben. „Wenn sie trotzdem nicht in der Lage sind, ein Angebot zu machen, dann ist das eine ganz schlechte Entwicklung für den weiteren Verlauf der Tarifrunde.“
Bereits der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, hatte Warnstreiks etwa in Kitas und Pflegeeinrichtungen nicht ausgeschlossen, falls es an diesem Wochenende kein Angebot der Arbeitgeber gebe. Wenn sich die Arbeitgeber weigern, über diese Fragen überhaupt nur konstruktiv zu reden, werden wir nach der zweiten Verhandlungsrunde den Druck auf die Arbeitgeber massiv erhöhen müssen“, so Silberbach.
Verdi-Chef: Klinische Grundversorgung bleibt sichergestellt
Verdi-Chef Werneke sagte der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag) mit Blick auf die Corona-Pandemie, der Gesundheitsschutz habe oberste Priorität - aber grundsätzlich seien Streiks auch jetzt möglich.
Auf die Frage, ob er Streiks in Krankenhäusern oder Kitas diesen Herbst für vertretbar halte, erwiderte er: „Vertretbar sind Streiks grundsätzlich in allen Bereichen, denn wir müssen die Interessen aller Beschäftigten durchsetzen.“ Werneke wies aber auf besondere Regelungen für Krankenhäuser hin: Grundversorgung und Notdienste seien immer sichergestellt.
„Dass Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst auch eine besondere Herausforderung darstellen, das wissen wir“, sagte der Verdi-Vorsitzende. „Falls wir zu Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen müssen, werden wir das so verantwortungsvoll tun, wie es in dieser Zeit notwendig ist.“
„Es gibt nichts zu verteilen“
Vor allem zwischen den Gewerkschaften und dem Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber, Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), war der Ton zuletzt rau. Mädge hatte in den vergangenen Wochen mehrfach betont, es gebe nichts zu verteilen.
Zuletzt beklagte er, dass die Verhandlungen noch keine Fortschritte gemacht hätten. „Das geht nicht zügig genug“, sagte Mädge. „Gerade in diesen Zeiten ist das Zeitverschwendung.“ Die langen Runden seien Rituale aus den 50er Jahren. „Es passt nicht mehr in die Zeit, die Arbeitswelt hat sich verändert und ist schneller geworden. Hoffentlich kommen wir nun zügig vorwärts.“
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Silberbach erwiderte: „Die VKA verhindert doch den schnellen Abschluss, indem sie nicht mal ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegt. Drei Jahre Nullrunden sind kein Angebot, sondern eine Zumutung für die Kolleginnen und Kollegen.“
Dem Öffentlichen Dienst fehlten digitale Infrastruktur und technische Mittel – vor allem fehlten ihm aber Menschen. „Wir brauchen mehr Fachkräfte, auch für die muss am Verhandlungstisch ein deutliches Plus herauskommen.“
Es geht auch um mehr Geld für Pflegekräfte
Nötig seien auch Antworten für die „katastrophale Situation“ im Gesundheitssystem. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) versuche, in Mexiko, dem Kosovo und auf den Philippinen neue Pflegekräfte anzuwerben, sagte Silberbach mit Blick auf entsprechende Kampagnen des Gesundheitsressorts.
„Wir sollten die Arbeit aber so attraktiv machen, dass wir auch wieder in unserer eigenen Bevölkerung Menschen dafür gewinnen können“, sagte Silberbach, „anstatt Pflegekräfte aus dem Ausland anzulocken, die bereit sind, zu niedrigen Löhnen in Deutschland zu arbeiten“.
Klamme Kommunen
Die Verhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen sind in diesem Jahr besonders schwierig. Die Kommunen nahmen infolge der Corona-Pandemie deutlich weniger Gewerbesteuer ein. Die Arbeitnehmer hingegen pochen auf mehr Lohn, da viele Beschäftigtengruppen gerade in der Krise besonders viel geleistet hätten. Die Forderungen betreffen 2,3 Millionen Tarifbeschäftigte. Auf die mehr als 200.000 Beamten soll das Ergebnis nach Ansicht der Gewerkschaften übertragen werden. Nach der zweiten Verhandlungsrunde an diesem Sonntag, ist noch eine dritte für den 22. und 23. Oktober angesetzt. (dpa/run)