Umstrittenes Projekt
Verdi meldet Einigung auf Tarifvertrag Altenpflege
Verdi und ein Arbeitgeberverband in der Pflege haben sich auf einen Tarifvertrag geeinigt. Er könnte das Vorbild für einen Tarifvertrag für alle 1,1 Millionen Beschäftigte in der Altenpflege werden. Dagegen gibt es aber nicht erst seit jetzt Widerstand.
Veröffentlicht:Berlin. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) haben sich auf Eckpunkte für einen Tarifvertrag in der Altenpflege geeinigt. Nach ersten Informationen aus der Berliner Verdi-Zentrale sollen examinierte Fachpflegekräfte in der Altenpflege demnach ab Januar 2023 mindestens 18,50 Euro in der Stunde verdienen.
Bei einer 39-Stunden-Woche ergebe das 3137 Euro brutto im Monat, meldete Verdi. Der Tarifvertrag soll am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Bis 2023 sollen die Pflegelöhne dann in drei Schritten angehoben werden.
3137 Euro im Monat
Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung sollen ab dann wenigstens 14,15 Euro/Stunde verdienen, mit ein- oder zweijähriger Ausbildung sollen sie auf mindestens 15 Euro in der Stunde kommen. Besser dotierte Tarifverträge seien davon nicht berührt, sagte Verdi-Gesundheitsvorstand Sylvia Bühler.
Vertreter der Gewerkschaft und des BVAP haben sich demnach auch auf ein Urlaubsgeld von 500 Euro und einen Jahresurlaub von mindestens 28 Tagen für Vollzeitbeschäftigte geeinigt.
Steilpass für den Arbeitsminister
Die offenbar bevorstehende Einigung von Verdi und der BVAP dient als Steilpass für Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Auf der Grundlage des von ihm initiierten Pflegelöhneverbesserungsgesetzes könnte er diesen Tarifvertrag auf die gesamte Pflegebranche erstrecken.Ministerin Giffey
Pflegemindestlohn ist „wichtiges Zeichen der Wertschätzung“
Hier solle ein Vertrag zu Lasten Dritter abgeschlossen werden, warnte Rainer Brüderle, Präsident des bpa Arbeitgeberverbandes. „Miniminderheiten können nicht über die Tarifautonomie von Mehrheiten bestimmen. Das muss und wird die Politik einsehen. Notfalls auch gerichtlich,“ drohte Brüderle unverblümt.
Verfassungsklage in der Schublade
Die Kommunalen Arbeitgeber, Caritas und Diakonie sowie die privaten Anbieter von Pflegeleistungen als größte Gruppe haben sich in der Folge der Einigung in der KAP gegen oder zumindest nicht für einen ihnen auf diese Weise übergestülpten Tarifvertrag ausgesprochen. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Professor Udo di Fabio hat in einem Gutachten für den bpa bereits schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. In einer Branche mit derart schwachem Organisationsgrad sowohl auf Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite, müsse die Regierung für die Tariferstreckung auch Bundestag und Bundesrat befragen.
Die Caritas-Dienstgeber zeigten sich überrascht, dass die von Verdi und BVAP vereinbarten Mindestentgelte erst ab 1. Juli 2021 gelten sollen. „Wir hätten es als wichtiges Signal für die Beschäftigten gesehen, wenn diese bereits mit Beginn des nächsten Jahres für die Arbeitgeber des BVAP gelten würden“, sagte Caritas-Sprecher Norbert Altmann am Freitag. Das Verfahren der von Hubertus Heil geplanten Allgemeinverbindlichkeitserklärung sei vom Inkrafttreten des Tarifvertrages ja eigentlich unabhängig, so Altmann. Es wirke fast so, als hätten die neuen Tarifpartner schon eine Ausstiegsklausel vereinbart. Ansonsten hieß es bei der Caritas, man habe die Entwicklung „zur Kenntnis genommen“.
In der Koalition, aber auch in der Opposition finden die Vereinbarungen positive Resonanz. Diese Einigung der Tarifpartner hat das Potenzial, ein Meilenstein auf dem Weg zu höheren Löhnen in der Altenpflege zu werden“, sagte die pflegepolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen Kordula Schulz-Asche. „Die Tarifflucht der Arbeitgeber in der Altenpflege muss durch die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen gestoppt werden“, forderte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Bärbel Bas.
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