EU-Bürger befragt
Impfbereitschaft geht flöten
Weltweit wird nach einem Impfstoff gegen SARS-CoV-2 geforscht. Doch schon bevor überhaupt ein Impfstoff verfügbar ist, wächst die Zahl der Skeptiker.
Veröffentlicht:Hamburg. Immer weniger Menschen in Europa würden sich gegen eine Corona-Infektion impfen lassen. Die Furcht vor Nebenwirkungen und einem möglicherweise unsicheren Impfschutz ließ die Impfbereitschaft zwischen April und Juni 2020 in Europa sinken – besonders in Deutschland, und zwar von 70 auf 61 Prozent. Das ergibt eine repräsentative Studie des Hamburg Center for Health Econimics (HCHE) der Universität Hamburg.
Die Studienautoren befragten jeweils im April und Juni 2020 mehr als 7000 Menschen in Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal und dem Vereinigten Königreich.
Insgesamt sank die Impfbereitschaft in diesen Ländern von 74 Prozent im April auf 68 Prozent nur zwei Monate später, die Ablehner-Quote stieg in diesem Zeitraum also von sieben auf 13 Prozent. Nur in Portugal stieg die Impf-Bereitschaft von 75 auf 76 Prozent.
Zahl ist höher als die der generellen Impfgegner
Offenbar sind die Menschen in Italien und Deutschland dagegen am misstrauischsten: In Italien sank die Zustimmung um 12 Prozent von 76 auf 64 Prozent und in Deutschland von 70 auf 61 Prozent und damit um neun Prozent. Im Süden und Westen Deutschlands (22 und 20 Prozent) ist die Ablehnung der Impfung deutlicher als im Norden und Osten (16 und 14 Prozent).
Die stärkste Ablehnung der Impfung im Juni findet sich mit 20 Prozent in Frankreich. Hier ist auch die Zahl der Unentschlossenen im Juni am höchsten: 24 Prozent. Die Gruppe derer, die unsicher sind, ob sie sich impfen lassen sollen, blieb in Europa konstant bei 19 Prozent.
„Bedenklich ist, dass zunehmend mehr Menschen eine Impfung gegen das Coronavirus ablehnen, und dies sind weit mehr Menschen als die, die grundsätzlich Impfungen ablehnen“, erklärt Professor Jonas Schreyögg, wissenschaftlicher Direktor des HCHE.
Bedenken wegen Nebenwirkungen
Tatsächlich ist nach der Hamburger Studie die Zustimmung zum Impfen allgemein in Europa höher als die Zustimmung zu Corona-Impfungen. 83,6 Prozent der Europäer stimmen jedenfalls der Aussage zu, dass Impfstoffe allgemein sicher sind, so die Zahlen des vaccine confidence Projekts.
Zur Begründung ihrer Skepsis geben die Befragten vor allem die Angst vor Nebenwirkungen an und die Sorge, die Impfung könne ihre Wirksamkeit verlieren. 45 Prozent der Menschen, die eine Impfung ablehnen, und 61 Prozent derjenigen, die unsicher sind, nennen dies als die wichtigsten Gründe. Immerhin jeder siebte Impfgegner glaubt nicht, dass das Virus gefährlich für die eigene Gesundheit ist.
Kliniken und Ärzte sollen Impfstoff verteilen
Und wenn ein Impfstoff gefunden ist, dann sollte dieser nach dem Willen der Befragten in Europa und Deutschland vor allem durch Krankenhäuser und Ärzte (61 beziehungsweise 54 Prozent) verteilt werden, oder vom Gesundheitsministerium (55, beziehungsweise 47 Prozent) oder durch ein nationales Expertenteam (54 beziehungsweise 46 Prozent).
Die Entscheidung darüber dem Pharmaunternehmen zu überlassen, das den Impfstoff auf den Markt bringt, lehnt die Bevölkerung in allen befragten Ländern mehrheitlich ab (über alle Länder 55, in Deutschland 61 Prozent), ebenso wie eine Volksabstimmung (56, in Deutschland 54 Prozent) oder eine Verlosung (67, in Deutschland 71 Prozent), so die Uni Hamburg.
Transparente Kommunikation enorm wichtig
Um eine europaweite Herdenimmunität zu erzielen, bräuchte es eine Impfquote von 71 bis 74 Prozent, sagt Sebastian Neumann-Böhme vom HCHE. Allerdings sei die Impfbereitschaft noch keine Impfrate. „Auch die Leichtigkeit des Zugangs zur Impfung spielt eine Rolle“, so Neumann-Böhme. „Wenn eine zweite Impfung notwendig sein sollte, kann die Impfbereitschaft ebenfalls sinken.“
Die Studie zeigt schließlich auch: Wer den Informationen von Regierungen, der EU und der Weltgesundheitsorganisation vertraut, steht Impfungen aufgeschlossener gegenüber. „Politik und Wissenschaft sollten daher über mögliche Nebenwirkungen sowie die Wirksamkeit eines Impfstoffes sehr transparent kommunizieren und für das Vertrauen der Bürger werben“, empfiehlt Jonas Schreyögg deshalb.