Kommentar

In Europa ist Impfwoche – und bei uns geht keiner hin

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:

Die aktuelle Debatte über eine mögliche Impfpflicht in Deutschland hat den Protagonisten der Impfmedizin offenbar so den Geist vernebelt, dass sie darüber ihr Tagesgeschäft vergessen. Vom 24. bis 30. April findet die „Europäische Impfwoche“ des WHO-Regionalbüros statt, aber bei uns haben dazu in diesem Jahr weder das Bundesgesundheitsministerium (BMG) noch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) oder das Robert KochInstitut (RKI) etwas vorbereitet.

Kaum Überzeugungsarbeit

Das heißt, während der Aktionswoche wird es bei uns eher keine Informationskampagnen, Interviews, Blogs, Podiumsdiskussionen, Pressemitteilungen und Fernsehbeiträge geben, wie das WHO-Büro stolz über die europäischen Aktivitäten auf seiner Website berichtet. „Wir sind ja sowieso an dem Thema dran und werden in Kürze aktuelle Impfstatistiken veröffentlichen“, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“ dazu.

Geht’s noch? Reichen die seriösen Impfinformationen für die Bevölkerung bei uns wirklich aus, sodass wir eigentlich gar keine Informationswoche nötig hätten? Das Gegenteil ist der Fall: Über den Nutzen von Impfungen wird bei uns seit vielen Jahren nicht konsequent informiert. Trotzdem meinen viele Ärzte, Politiker und andere Beteiligte, dass man schon genügend Überzeugungsarbeit geleistet habe und deshalb jetzt als letzte Option eine Impfpflicht angeordnet werden muss.

Aktionsplan dümpelt dahin

Das Beispiel Masern zeigt, dass das nicht stimmt: BMG, Landesgesundheitsämter aber auch Kassen und Ärztekammern haben bisher keines der 2015 selbst gesteckten sechs Ziele im „Nationalen Aktionsplan zur Masernelimination“ umgesetzt. Hier müsste endlich mehr gehandelt werden. Bei der Debatte um eine Masern-Impfpflicht werden zudem falsche Prioritäten gesetzt.

Umfrage-Daten zeigen, dass theoretisch genügend Eltern der Impfung ihrer Kinder auch ohne eine Impfpflicht zustimmen würden, was sich auch an den relativ hohen Schutzraten bei Schuleingangsuntersuchungen zeigt. Allerdings wäre es besonders wichtig, dass zeitgerecht bis zum zweiten Geburtstag komplett geschützt wird. Das wird aber oft schlicht vergessen.

Und um die Masern in Deutschland zurückzudrängen, müssten vor allem die großen Impflücken bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen geschlossen werden. Weil diese Gruppen mit einer Impfpflicht nicht zu erreichen sind, kommen wir um gezielte Aufklärungsaktionen (und Programme für Nachholimpfungen) nicht herum. Die „Europäische Impfwoche“ wäre hierzu eine gute Gelegenheit gewesen.

Lesen Sie dazu auch: Nationale Lösung gesucht: Kinderärzte wollen Impfregister – oder eine Impfpflicht

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Dr. Klaus Günterberg 25.04.201910:42 Uhr

Impfen: Emotionen sind wichtiger noch als Informationen

„Über den Nutzen von Impfungen wird bei uns seit vielen Jahren nicht konsequent informiert.“ Ja, aber da gibt es Grenzen, darum stimmt das nur zum Teil.

Vorab: Es gibt keine Impfmüdigkeit, wie man häufig behauptet. Ich denke da an die vollen Impfpässe, die wir Ärzte immer wieder sehen, an die Menschen, die sich regelmäßig und pünktlich und immer wieder impfen lassen, die des Impfens durchaus nicht müde sind. Und ich denke auch an die anderen Menschen, die sich so selten impfen ließen, dass auch sie des Impfens nicht müde sein können.

Nein, es gibt keine Impfmüdigkeit, es sind die Erfolge unseres Impfens der Grund für die großen Impflücken: Kaum jemand kennt noch die Krankheiten, gegen die wir impfen. Wer aus den jüngeren Generationen hat hierzulande noch einen Menschen mit den Folgen der Poliomyelitis gesehen, einen Menschen, der sich mit orthopädischen Stiefeln und Krücken mühsam Schritt für Schritt vorwärts kämpft? Wer weiß noch, dass man, wenn nicht der rettende Kehlkopfschnitt gemacht wird, bei Diphtherie qualvoll ersticken kann? Man kann die meisten Krankheiten, gegen die es geht, zögernden Menschen auch kaum bildlich vor Augen führen.

Manche Menschen haben eine solche Voreingenommenheit gegen das Impfen, dass sie nicht zu überzeugen sind. Sie bringen Aversionen, Emotionen im Unterbewusstsein, schon aus der Kindheit mit. Vor allem Kinder, Jugendliche und Menschen mit eher geringer Bildung lassen sich mehr von Emotionen als von Informationen leiten; jeder Lehrer, Psychologe und Arzt hat da einschlägige Erfahrungen gesammelt. Darum muss man schon bei den Kindern ansetzen.

Mich hat diese Erfahrung aber auch dazu gebracht, ein Kinderbuch zu schreiben, einen neuen, zeitgemäßen Struwwelpeter. Das Buch ist seit Herbst 2013 im Handel. Es geht in diesem Buch vor allem um gesundheitsbewusstes Verhalten, um den Umgang mit den neuen Medien, um Rauchen und Alkohol, um Bewegungsarmut, um die Risiken im Straßenverkehr und es geht auch um das Impfen.

Die Menschen hierzulande sind, wie gesagt, durchaus nicht impfmüde, sie fürchten manchmal die Spritze mehr als die Krankheit - weil sie die Krankheiten nicht mehr kennen, gegen die wir impfen. Das ist die Kehrseite unserer medizinischen Erfolge. Deshalb findet sich im „Cyber-Peter“ auch eine Geschichte, bei der es um die Poliomyelitis und um das Impfen geht.

Dr. Günterberg
Gynäkologe. Berlin

Dr. Thomas Georg Schätzler 24.04.201913:16 Uhr

Die WHO-EUROPA schreibt dazu

unter www.who.europa/impfwoche/presse:
Europäische Impfwoche 2019 würdigt Helden des Alltags, die Impfungen möglich machen
24.–30. April 2019

In jedem Jahr begeht die Europäische Region der WHO die Europäische Impfwoche (EIW), um für Impfmaßnahmen als entscheidende Voraussetzungen für Krankheitsprävention und den Schutz von Menschenleben zu werben. Die Zielsetzung der diesjährigen Kampagne, die vom 24. bis 30. April 2019 läuft, besteht darin, das Bewusstsein für den Nutzen von Impfungen zu schärfen und die Helden des Impfalltags zu feiern, die auf vielerlei Weise zum Schutz von Menschenleben durch Impfungen beitragen.unter www.who.europa/info/presse:
Europäische Impfwoche 2019 würdigt Helden des Alltags, die Impfungen möglich machen
24.–30. April 2019

In jedem Jahr begeht die Europäische Region der WHO die Europäische Impfwoche (EIW), um für Impfmaßnahmen als entscheidende Voraussetzungen für Krankheitsprävention und den Schutz von Menschenleben zu werben. Die Zielsetzung der diesjährigen Kampagne, die vom 24. bis 30. April 2019 läuft, besteht darin, das Bewusstsein für den Nutzen von Impfungen zu schärfen und die Helden des Impfalltags zu feiern, die auf vielerlei Weise zum Schutz von Menschenleben durch Impfungen beitragen."

Doch warum ausgerechnet in den Osterferien?

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z.Zt. Bergen aan Zee/NL)

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