Öffentlicher Gesundheitsdienst
Initiative will IT-Aufrüstung im ÖGD beschleunigen
Der Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit legt ein Zehn-Punkte-Programm vor. Das Ziel: Mehr Zeit für Patienten, weniger für organisatorische Täigkeiten.
Veröffentlicht:Köln. Die Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) ist ein wichtiger Baustein in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Eine neue Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, Gesundheitsämter dabei zu unterstützen. Gelingen soll das durch die Bündelung von Ressourcen und Know-how.
Der „Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit“ (InÖG) hat ein Zehn-Punkte-Programm zur Entlastung der Gesundheitsämter entwickelt. Im Mittelpunkt steht die flächendeckende Einführung der vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung entwickelten SORMAS-Software zur Kontaktnachverfolgung.
Der InÖG ist aus dem Hackathon der Bundesregierung #WirVsVirus hervorgegangen, bei dem digitale Lösungen zur Bewältigung der Krise entwickelt wurden. In dem Verbund werde das Fachwissen aus der IT und dem Gesundheitswesen zusammengeführt, sagte einer der Gründer Dr. Tobias Opialla bei einer digitalen Pressekonferenz.
„Wir möchten, dass die Gesundheitsversorgung einfacher und effizienter wird.“ Wesentliche Ziele des Vorstoßes seien die kreis- und länderübergreifende Kontaktnachverfolgung und Ausbruchsermittlung, eine verstärkte der Interoperabilität im ÖGD und die Schaffung einer umfassenden und aktuellen Datengrundlage, um das Lagebild zu verbessern.
Ehrenamtliches Projekt
Das Projekt sei rein ehrenamtlich, es gebe keine kommerziellen Interessen, betonte die Bankerin Dr. Anke Sax von der Initiative CIO Corporate Citizens. CIO steht für Chief Information Officer, also für diejenigen, die in Unternehmen die IT verantworten. CIO Corporate Citizens kooperiert ebenso wie die Björn Steiger Stiftung mit dem InÖG. „Uns treibt das ehrenamtliche Engagement und der Frust, was alles gehen könnte“, erläuterte sie.
Es geht nicht nur um die Infrastruktur in den Ämtern, sondern auch um die Einbindung engagierter Bürger, ergänzte Joachim von Beesten, Geschäftsführer der Björn Steiger Stiftung. „Wir wollen eine Plattform sein, um Best Practice von einem Bundesland ins andere zu übertragen.“
Es gehe nicht darum, die Mitarbeiter aus dem ÖGD zu bevormunden, sagte Achim Löbke vom InÖG. „Wir bieten dem ÖGD eine Hilfe.“ Das werde auch so verstanden.
Plädoyer für den Einsatz von SORMAS
Er sieht es als Erfolg, dass bereits 151 Gesundheitsämter mit SORMAS arbeiten. Die Lösungen, mit denen die anderen Ämter arbeiten, seien nicht per se schlechter, stellte er klar. Aber SORMAS schaffe die notwendige bundesweite Einheitlichkeit und die Möglichkeit des Austausches zwischen den Ämtern. Das müsse den Mitarbeitern in den Gesundheitsämtern erklärt werden.
Mit Hilfe der Software kann das externe Personal, das die Gesundheitsämter bei der Kontaktverfolgung unterstützt, flexibler eingesetzt werden, nannte Opialla einen weiteren Vorteil. „SORMAS ist Homeoffice-fähig.“ Ein weiterer Vorteil des Systems sei, dass es mit offenen Schnittstellen arbeitet.
Die Initiatoren des InÖG setzen auf die praktische Unterstützung der Gesundheitsämter bei der Implementierung von SORMAS. Das reicht von Handreichungen für die Umstellung der Software bis zur Vermittlung von IT-Experten. Gemeinsam mit der Implementierung weiterer digitaler Lösungen ermögliche das die Verlagerung der Dateneingabe hin zu den Bürgern.
Europaweite Vernetzung ist das Ziel
„Man gibt den Gesundheitsämtern damit wieder mehr Zeit, sich wirklich um die Patienten zu kümmern und weniger, um die Administration“, sagte Opialla. Trotz aller Unterstützung wird das ehrgeizige Ziel, SORMAS bis Ende Februar in allen Gesundheitsämtern zu implementieren, wohl kaum zu schaffen sein, erwartet Sax. Dennoch sollte der Druck aufrechterhalten werden, findet Löbke.
Jedes Bundesland, jede Kreisstadt müsse sich dem Ziel der kompletten Digitalisierung verschreiben. Man sollte nach seiner Überzeugung ohnehin nicht nur Deutschland im Blick haben. Die nächste Etappe bis zum Herbst sollte die europaweite Vernetzung sein.
Immerhin arbeiteten in Frankreich schon zwei Drittel der Regionen mit SORMAS und in der Schweiz 90 Prozent der Kantone. „Wenn man die Software Stück für Stück verbessert, hat sie ein Riesenpotenzial. Das ist wirklich eine einmalige Chance“, betonte Löbke. (iss)