Ökonomisierung
Investoren im Gesundheitswesen: Plage oder Partner fürs Gemeinwohl?
Die Ökonomisierung im Gesundheitswesen wird – gegen den Widerstand der Ärzte – zunehmen, auch, weil die Renditen vergleichsweise hoch sind. Das Know-how der Private Equity-Investoren über den hochregulierten Gesundheitsbetrieb wird bei steigendem Engagement wachsen.
Veröffentlicht:Berlin. Die stabile Finanzierung von Gesundheitsleistungen vor allem durch die GKV und vermutete Wirtschaftlichkeitsreserven, deren Hebung vergleichsweise hohe Renditen versprechen, werden aller Voraussicht nach verstärkt private Finanzinvestoren in den Gesundheitsmarkt locken.
Das größte Problem, sagte Dr. Christoph Scheuplein vom Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen beim gesundheitspolitischen Podium der Robert Bosch Stiftung in Berlin, sei die mangelnde Transparenz darüber, welche Investoren sich in welchem Ausmaß in Einrichtungen des Gesundheitswesens engagieren und welche Machtkonzentrationen sich dabei entwickeln.
Grundsätzlich, so Scheuplein, seien Kapitalzuflüsse auch im Gesundheitssektor wünschenswert. Kritisch, vor allem von Ärzten, wird darüber diskutiert, dass als Folge von Private Equity-Engagements der Medizin Geld entzogen wird.
Kaufen– investieren – verkaufen
Die Berliner Allgemeinärztin Dr. Katharina Thiele hält es für definitiv „nicht moralisch“, wenn Renditen erzielt werden, die nicht mehr in die Versorgung zurückfließen. Das findet aber in der Tat statt, so Scheuplein: Die Investoren stellen Kapital für einen definierten Zeitraum bereit, restrukturieren die Einrichtungen mit Hilfe externer Management-Kompetenz, etwa durch Bildung von Kooperationen und Ketten, um Skalenerträge zu realisieren, und verkaufen am Ende ihres Engagements zu einem wesentlich höheren Preis an den nächsten Investor.
Seit 2017, so Scheuplein, sei ein starker Anstieg der Investitionen von Private Equity-Firmen zu beobachten. Derzeit konzentrieren sie sich auf drei Bereiche: Pflegeeinrichtungen – der Bereich mit den meisten Arbeitsplätzen -, Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen und Dialyse sowie vergleichsweise kleinteilig in der ambulanten Medizin.
Hier seien es aktuell Zahnmedizin, Augenheilkunde und Radiologie mit einem teils hohen Kapitalbedarf, in die private Finanzinvestoren einsteigen. Perspektivisch könne auch die hausärztliche Versorgung betroffen sein.
In der Regel wird dazu die Organisationsform des Medizinischen Versorgungszentrums genutzt, dessen medizinische Leitung in der Hand eines Arztes liegen muss, die Eigentümerschaft aber gesetzlich weitgehend ungeregelt ist.
Machtkonzentration zu Lasten von Vertragsärzten
Als Risiken sieht Scheuplein einen steigenden Leistungsdruck in der Versorgung, die Intransparenz bei den Finanzierungsflüssen, aber auch das hohe Übernahmetempo durch kapitalkräftige Unternehmen. Für die ambulante medizinische Versorgung in der Fläche könne es durchaus zu Machtkonzentrationen kommen, die zu Lasten der verbliebenen freiberuflich tätigen Ärzte gehen.
Der Einstieg privater Kapitalgeber und Unternehmer in den Markt von Gesundheitsdienstleistungen muss nicht zwangsläufig Gemeinwohlinteressen zuwiderlaufen, sagt Sascha Saßen von Korian Deutschland. Das internationale Unternehmen ist in Deutschland nahezu flächendeckend mit mehr als 250 Pflegeeinrichtungen und 35 ambulanten Diensten tätig.
Bei Korian konkretisiere sich die Gemeinwohlorientierung in einem konkreten Wertekanon: Zwei Drittel des Gewinns werden nach Saßens Angaben grundsätzlich in die Weiterentwicklung des Unternehmens reinvestiert. Das Unternehmen habe sich zu einem hohen Qualitätsanspruch verpflichtet, beispielsweise durch systematische Früherkennung von Hilfebedarf und frühzeitiger Intervention durch geeignete Therapien zur Erhaltung und Förderung physischer, sozialer und kognitiver Kompetenzen von Pflegebedürftigen.
Digitale Hilfsmittel im Einsatz
Dabei werden auch digitale Hilfsmittel eingesetzt, so zum Beispiel eine aus Anlass der COVID-19-Pandemie entwickelte Besucher-App, die den Kontakt zwischen Heimbewohnern und Angehörigen organisieren hilft.
Für weiter verbesserungsbedürftig hält er die Arbeitsbedingungen in der Pflege: „Ausländische Pflegefachkräfte fassen sich an den Kopf, mit welchen Aufgaben sich Pflegeberufe in Deutschland herumschlagen müssen.“
Fehlanreize durch das DRG-System
Für grundsätzlich reformbedürftig halten sowohl die SPD-Gesundheitspolitikerin Martina Stamm-Fibich als auch der Berliner Gesundheitsökonom Professor Reinhard Busse, das DRG-System der Krankenhäuser. Es führe zu Fehlanreizen, so Busse, und produziere mehr Leistungen jenseits des medizinischen Bedarfs unter teils fragwürdigen qualitativen Bedingungen.
Ursächlich dafür sei eine nicht vorhandene Strukturplanung für die stationäre Versorgung, eine Qualitätssicherung, für die der Bundesausschuss nur einzelne Mosaiksteine liefere, und Mindestmengenregelungen, die zu oft durchbrochen würden.
Unbedingt notwendig sei, so Stamm-Fibich, dass die Gesundheitsminister von Bund und Ländern einen Durchbruch für neue Regeln der Krankenhausplanung finden. Das müsse einer Vergütungsreform vorgeschaltet werden. Eine Reform der GOÄ, so prognostiziert sie, werde sie selbst wohl nicht mehr erleben.