Höhere Sozialbeiträge
Johnson sagt mehr Mittel für maroden britischen Gesundheitsdienst zu
Es ging nicht mehr anders: Der britische Premierminister Boris Johnson kündigt höhere Sozialbeiträge an, um dem maroden britischen Gesundheitsdienst unter die Arme zu greifen – und bricht damit ein Wahlsprechen.
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Premierminister Boris Johnson kündigte an, dass die Sozialversicherungsbeiträge um 1,25 Prozent steigen sollen, um den unterfinanzierten Nationalen Gesundheitsdienst zu stützen.
© Toby Melville / dpa
London. Milliardenhilfen für das britische Gesundheitswesen: Premierminister Boris Johnson hat am Dienstag mit der Ankündigung überrascht, „mindestens 5,4 Milliarden Pfund“ (mehr als 6,5 Milliarden Euro) zusätzlich den gebeutelten staatlichen Kliniken und Arztpraxen zukommen zu lassen. Ärzte reagierten positiv, zeigen sich aber skeptisch, dass das versprochene Geld ausreichen wird.
Hintergrund ist ein klaffendes Finanzloch im staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS). Zwar steckt der Dienst seit Jahren in der Krise und gilt als generell unterfinanziert. Doch die COVID-19-Pandemie hat die Situation in vielen staatlichen Kliniken und Hausarztpraxen dramatisch verschlimmert.
5,5 Millionen Patienten warten auf einen Termin
Klinikärzte hatten in den vergangenen Wochen mehrfach eindringlich gewarnt, dass bereits zum Jahresende landesweit „mehr als 13 Millionen Patienten“ auf eine Operation oder auf eine fachärztliche Behandlung warten könnten. Derzeit warten bereits rund 5,5 Millionen Patienten. Auch das ist eine Rekordzahl.
Wie Premierminister Johnson am Dienstag in einer mit Spannung erwarteten Rede sagte, sollen die Milliarden „vorrangig“ dafür eingesetzt werden, dem NHS „aus der Krise“ zu helfen. Als Folge der Pandemie waren seit März 2020 hunderttausende Operationen abgesagt worden und die derzeitigen Kapazitäten reichen nicht aus, um die Zahl der wartenden Patienten rasch merklich zu reduzieren.
Beitragserhöhung ist Bruch eines Wahlversprechens
Johnson kündigte an, die Beiträge zur nationalen Einheitsversicherung (National Insurance, NI) zum April 2022 um 1,25 Prozent zu erhöhen, um so die Finanzspritze finanzieren zu können. Damit bricht der Regierungschef eines seiner wichtigsten Wahlversprechen der Konservativen, keine Steuern oder andere Abgaben erhöhen zu wollen. Es wird damit gerechnet, dass es im Unterhaus erheblichen Widerstand gegen die NI-Erhöhung geben wird, besonders aus der konservativen Partei.
Kommentar zur NHS-Stärkung
Traditionsbruch zugunsten des Gesundheitssystems
Der NHS wird sowohl aus allgemeinen Steuermitteln als auch aus den Beiträgen zur NI finanziert. Das von Johnson angekündigte Milliardenpaket ist nach seinen Angaben „das größte in der britischen Nachkriegsgeschichte“. Es umfasst außer „mindestens 5,4 Milliarden Pfund“ für den staatlichen Gesundheitsdienst auch rund 30 Milliarden Pfund für die Alters- und häusliche Krankenpflege und andere soziale Dienste, die „in den kommenden drei Jahren“ investiert werden sollen.