Nicht mehr nur für Patienten
Kanada legalisiert Cannabis
Auf T-Shirts, Logos und in sozialen Netzwerken sind die charakteristischen Cannabis-Blätter schon omnipräsent: Seit heute ist Marihuana in ganz Kanada legal. Unternehmer hoffen auf einen Boom.
Veröffentlicht:TORONTO. Das Cannabis-Blatt ist aus Schokopulver und sitzt perfekt auf dem fluffigen Milchschaum. "Auf unserem Menü steht Marihuana aber nicht. Noch nicht", sagt Chris James, Besitzer des kleinen Cafés "Cannabis & Coffee" an der Front Street in Torontos Downtown. Das wird sich auch vorerst nicht ändern.
Die Provinz Ontario genehmigt seit Mittwoch zwar privaten Konsum und Kauf von Marihuana – dennoch können Konsumenten ihren Cannabis-Vorrat aber vorerst nur online aufstocken. Denn während in einigen Provinzen bereits am Mittwoch Läden eröffneten, wird das in Ontario erst ab April möglich sein.
Noch etwas länger dürfte es dauern, bis Cannabis-Lebensmittel wie Kekse oder Getränke ihren Weg in die Regale finden. Frühestens ab Herbst 2019 soll es in Ontario so weit sein. "Wir haben Geduld", sagt James, der die Zeit vor allem nutzen will, um Interessierte mit Infomaterial und Events über Cannabis aufzuklären. "Unser Hauptziel ist, das Stigma aus den Köpfen der Menschen zu entfernen", sagt der Cafébesitzer. Eine Legalisierung sei der erste Schritt.
Schluss mit dunklen Parkplätzen
Damian Smith, ein breitschultriger 20-jähriger Student, der im "Cannabis & Coffee" gerade Zucker auf das Cannabis-Blatt im Milchschaum kippt, sagt: "Ich bin vor allem erleichtert, dass ich nun nicht mehr einen Kumpel meines Kumpels irgendwo auf einem dunklen Parkplatz treffen muss, in ständiger Angst, dass die Polizei um die Ecke kommt."
Er drehe "ab und an, naja, regelmäßig am Wochenende" einen Joint, wie die meisten seiner Freunde. Marihuana sei nichts Neues unter Torontos Jugendlichen, sagt Damian und zuckt mit den Schultern. "Das ist kein Geheimnis. Man riecht Pot doch an jeder Ecke." Mehr wolle er wegen der Legalisierung nicht rauchen. "Aber eben ohne schlechtes Gewissen."
Das schlechte Gewissen scheint sich bei Bürgern Torontos ohnehin bisher in Grenzen zu halten: Laut einer Untersuchung des kanadischen Marktforschungsunternehmens Environics Analytics rauchen die Bewohner der Metropole mit knapp drei Millionen Einwohnern fast 142 Millionen Joints im Jahr.
Für den medizinischen Gebrauch konnte man mit einem Rezept bereits seit Jahren in sogenannten "Cannabis Clinics" – Mini-Apotheken, die überall in Toronto verteilt sind – Marihuana für den medizinischen Gebrauch abholen, vorausgesetzt ein Arzt attestierte die Notwendigkeit. "Aber auch sonst war es bisher nicht wirklich schwer, etwas zu bekommen", sagt Smith.
Seit Mittwoch darf nun jeder je nach Provinz ab dem 18. oder 19. Lebensjahr 30 bis 150 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum bei sich tragen und auch vier der Gewächse zu Hause anpflanzen.
Legalisierungsgegner prangern an, dass der Cannabis-Gebrauch in Toronto in den vergangenen Jahren vor allem bei Jugendlichen angestiegen ist. Die Gefahr für Minderjährige nehme durch den freien Gebrauch nur zu. Verfechter der Freigabe wiederum sehen eine Chance zur breiteren Information.
Bill Blair, Minister für Grenzschutz und Kriminalitätsreduzierung, sagte einem Lokalsender in Toronto, dass sich die Behörde seit mehr als zwei Jahren auf eine Legalisierung vorbereite. "Wir müssen den Gebrauch aus dem Schatten holen und über die Gefahren aufklären."
Hoffnung auf Boom
Ähnlich sieht es Generalstaatsanwältin Caroline Mulroney, die in einem Twitter-Post bekannt gab, dass zeitgleich mit der Legalisierung eine Aufklärungskampagne gestartet werde. "Es versteht sich von selbst, dass diese Anzeigen nicht den Cannabis-Konsum oder den Cannabis-Markt fördern, sondern sich auf die soziale Verantwortung konzentrieren", so Mulroney
Viele Unternehmer, große Firmen und auch Arbeitssuchende erhoffen sich von der Legalisierung eine neue boomende Industrie. "Eine große Welle der freien Auswahl wird die Kanadier treffen", prophezeit beispielsweise Greg Pantelic, Chef von Ahlot, einer Firma, die Cannabis online verkauft. "Bald wird es schwierig sein, sich zwischen Hunderten von neuen Marken zu entscheiden", sagt Pantelic.